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RB zu Gast im Mythos Wankdorf Das zweite Wunder von Bern

Von Ullrich Kroemer und Martin Henkel Aktualisiert: 19.09.2023, 14:52
Legendäres Relikt: Wankdorf-Uhr von der WM 1954.
Legendäres Relikt: Wankdorf-Uhr von der WM 1954. (Foto: Young Boys Bern)

Am Tag vor dem Champions-League-Spiel der Young Boys Bern gegen RB Leipzig (Di., 18.45 Uhr) regnet es unablässig. Fritz-Walter-Wetter rund um das Wankdorf-Stadion. Genau wie 1954 am Tag des WM-Finales zwischen Deutschland und Ungarn. „Fritz, Ihr Wetter“, hatte Bundestrainer Sepp Herberger damals zu seinem Spielführer gesagt. Walter, der wegen einer früheren Malaria-Erkrankung heiße Temperaturen fürchtete, erwiderte: „Chef, ich hab nix dagegen.”

Von dem WM-Stadion ist heute nur noch der genaue Standort und der Name geblieben – und die berühmte Wankdorf-Uhr. Das riesige Ziffernblatt mit der Toranzeige darunter ist ein Symbol des Wunders von Bern – dem Erweckungsereignis für den deutschen Fußball. Der nachgebaute Uhrenturm thront heute vor dem modernen Wankdorf-Stadion mit Einkaufscenter, das 2005 eröffnet wurde.

Young Boys „auch ein wenig mit Schuld, dass Deutschland 1954 Weltmeister geworden ist”

Gerettet wurde die Uhr von Charles Beuret, der als historisches Gedächtnis des Vereins das Klubmuseum aufbaute. Der heute 79-Jährige ließ die Uhr ein Jahr nach dem Stadionabriss „vom Bruch“ holen, wie er sagt, der Schutthalde. Beuret, erst Fan, dann Journalist, später Medienchef und Museumsdirektor, sicherte so ein Stück der Seele dieses legendären Standortes. Schließlich seien die Young Boys „auch ein wenig mit Schuld, dass Deutschland 1954 Weltmeister geworden ist”, betont er im YB-Museum inmitten von Wimpeln, Pokalen und WM-Devotionalien. Schließlich war Herbergers wenig bekannter Co-Trainer Albert Sing, der dem deutschen Team das Teamhotel in Spiez organisierte, zu jener Zeit Spielertrainer der Young Boys.

Unter Cheftrainer Sing etablierten sich die Berner später in den 1950er Jahren in Europas Elite. Alte Stadionhefte, Schuh-Fossile und Fotos sind den Jahren im Cup der Landesmeister gewidmet, vor allem der Saison 1958/59. Im Viertelfinale ging es in die DDR zum damaligen Meister SC Wismut Karl-Marx-Stadt. Im dritten Entscheidungsspiel in Amsterdam setzten sich die Schweizer nach zuvor zwei Unentschieden mit 2:1 durch. Aus der Zeit steht eine Kristallvase aus Aue in einer der Vitrinen; in der Wismut-Stadt trug der Klub aus dem heutigen Chemnitz damals seine Spiele aus. Das Halbfinale danach gegen Stade de Reims – größter Erfolg der Vereinsgeschichte – gilt als das „Spiel der Spiele“ in der Geschichte des Berner Vereins.

Lange Leidenszeit: Young Boys wurde zum Synonym für das Scheitern

Mit ihm hatte YB einen Höhepunkt erreicht: Ein Symbol Berner Gemütlichkeit und uralter Fußballtradition, das sein Versprechen aus der Klub-Satzung eingelöst hat. In der heißt es zum Vereinszweck: „Pflege der Freundschaft und der Geselligkeit.” Das Motto, das die Berner und ihren Klub seit den Anfangstagen zusammenschweißt und heute noch im Spieletunnel prangt, lautet: „Young Boys forever“. Diese Naht wurde nach der Sing-Ära oft auf die Probe gestellt. Zwei Abstiege, ein Beinahe-Konkurs und 32 Jahre ohne Titel entwickelten YB zum Gespött des Schweizer Fußball. In dieser Zeit entstand der Ausspruch, etwas zu „veryoungboysen“, sprich: etwas zu vermasseln.

Erst mit dem Stadionneubau kam peu á peu der Erfolg zurück. Auch Dank der Investorenfamilie Rihs, die 100 Prozent der Aktien der Young Boys AG hält, knüpften die Gelb-Schwarzen wieder an die früheren Erfolge an. Dabei war auch Bundesliga-Legende Stéphane Chapuisat ein Wegbereiter. Der frühere Dortmunder spielte im Herbst seiner Karriere bis 2005 für YB – gesprochen: Üh-Beh. Im Gespräch mit der MZ sagt er, seit 2008 Chefscout und Nachwuchsstürmer-Trainer der Berner: „Wir können hier stabil arbeiten – auch finanziell sind wir solide aufgestellt. Es ist immens wichtig, dass man diese Ruhe im Verein und in der Öffentlichkeit hat, aber natürlich muss man intern auch immer neue Reizpunkte setzen.” Dank dieser Kontinuität arbeitete sich Bern nach ewiger Leidenszeit zurück an die Spitze, holte 2018 den ersten Titel seit 1986. Seither ist YB Abomeister, gewann in den vergangenen sechs Jahren fünf Meisterschaften. Mit Trainer Raphael Wicky ist Bern nun zum dritten Mal in der jüngeren Historie in der Champions League dabei. Nach den langen Jahren der Dürre sozusagen das zweite Wunder von Bern.

„YB-Viertustung” ist legendär

Auch die Fans spürten den Aufbruch und begeisterten sich wieder für ihre Mannschaft. Mit über 22.000 Dauerkarten und 29.000 Zuschauern im Schnitt hat Bern das treueste und euphorischste Publikum der Schweizer Liga. „Die Atmosphäre an diesem Dienstag wird mitreißend sein”, verspricht Chapuisat.

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Legendär ist die „YB-Viertustung”, die letzten 15 Minuten, in denen Bern schon Gegner wie Juventus Turin und Manchester United überrannte. Wenn die Fans diese einläuten, „pusht das die Mannschaft. Man hat dann immer eine zweite Chance”, erklärt Beuret. Der passionierte Golfer sagt: „Wir haben lange in der Vergangenheit gelebt. Jetzt hat die Gegenwart hat die Vergangenheit eingeholt.”

Auf der Wankdorf-Uhr steht seither nicht mehr das Ergebnis des WM-Endspiels (3:2), sondern das Resultat, das zum erlösenden ersten Titel nach 32 Jahren führte (2:1). Gegen RB hoffen sie nun auf das nächste Wunder.

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