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  5. Taktikexperte über Verpflichtung von Ole Werner: „Unter Rangnick nicht denkbar”

Taktik-Professor über Werner-Verpflichtung „Wäre unter Rangnick nicht denkbar gewesen”

Professor Daniel Memmert beschäftigt sich als Experte für Spielanalyse seit Jahren mit dem Red-Bull-Fußball. In der neuen Ausgabe seiner Taktikkolumne bei RBlive hinterfragt er die Auswahl von Ole Werner als neuen Trainer von RB Leipzig. 

Aktualisiert: 27.06.2025, 09:09
Prof. Dr. Daniel Memmert analysiert für RBlive.
Prof. Dr. Daniel Memmert analysiert für RBlive. (Foto: imago/motivio/dshs köln)

Von Prof. Daniel Memmert

Leipzig/Köln/ukr – Die Verpflichtung von Ole Werner als neuen RB-Trainer hat mich als langjährigen wissenschaftlichen Beobachter des Red-Bull-Fußballs ziemlich überrascht. Nach allem, was ich höre, geht das vielen Akteuren in der Szene ähnlich.

Er hat bislang bewiesen, dass er mit eher bescheidenen Mitteln Punkte holen und Spiele gewinnen kann, und dass er einzelne Elemente der Red-Bull-Spielidee auch in sein Spiel einbaut. Doch Werner hatte untypischerweise bislang keinerlei direkte Berührung mit dem Red-Bull-Kosmos und steht höchstens teilweise für die Red-Bull-Spielphilosophie.

Ballbesitz steht in der Red-Bull-Philosophie nicht an erster Stelle

Ich finde in diesem Zusammenhang das Statement von RB-Sportchef Marcel Schäfer zur Verpflichtung von Ole Werner signifikant und aussagekräftig. An erster Stelle von Werners Qualitäten nennt Schäfer „strukturierten Ballbesitzfußball”. Erst danach kommen Umschalten, Pressing und kämpferisches Auftreten, wofür ja inzwischen jeder Bundesligatrainer stehen möchte.

Lesen Sie hier: Pro & Contra zur Eignung von Ole Werner als RB-Trainer

Das ist inhaltlich auch völlig korrekt, denn für ideenreiches Ballbesitzspiel steht Werner ja tatsächlich vor allem. Nur: In der Red-Bull-Philosophie steht Ballbesitzfußball keineswegs an erster Stelle. Bei einem Trainer, der vollständig ins Red-Bull-Profil gepasst hätte, hätte man andere Begriffe in einer anderen Reihenfolge benannt. Zudem gilt Werner keineswegs als ausgewiesener Talenteentwickler. Andere Kandidaten, die die Red-Bull-DNA hätten stärker verkörpern können, wären logischer gewesen.

Griff ins Regal nebenan

Seine Verpflichtung ist ganz sicher auch der Marktlage geschuldet. Es wurden ja durchaus Kandidaten wie Roger Schmidt, Sebastian Hoeneß und Oliver Glasner gefragt, die von der Red-Bull-Spielphilosophie her besser ins Portfolio gepasst hätten. Aber wenn der Markt nichts anderes hergibt und das gefragteste Regal leer ist, muss ich mich eben im Regal nebenan nach Alternativen umschauen.

Nichts gegen Ole Werner als Typen oder seine fachliche Qualifikation als Trainer – aber dass ein Coach ohne ausgewiesene Pressing-Gegenpressing-Prägung RB-Trainer wird, wäre unter Ralf Rangnick eher nicht denkbar gewesen. Damals hatte RB Leipzig eine viel stärkere eigene Handschrift, das war kein Management von der Stange, sondern der Erfolg hatte Self-Made-Charakter. Diese Stringenz, die alle Entscheidungen durchzog, hat Rasenballsport in den vergangenen Jahren etwas verloren.

„Werner hat das größte Adaptionsdelta”

Interessant finde ich, dass Ole Werner offenbar eine 4-3-3- oder 4-2-3-1-Grundordnung spielen lassen will. In den besten Zeiten unter Ralf Rangnick hatte RB mit einem 4-2-2-2-System Erfolg – das war so etwas wie das Markenzeichen des Red-Bull-Fußballs. Nun eventuell auf drei Sechser und Achter zu setzen, ist schon eine gravierende Änderung. Aber aus unserer aktuellen Forschung wissen wir, dass sich diese Systeme nur zu ungefähr 20 Prozent auf dem Platz wiederfinden – das Spiel ist nun mal dynamisch und somit werden Grundordnungen eher gerne mehr über- als unterschätzt.

Wichtiger als die Grundordnungen sind die zahlreichen detaillierten Spielprinzipien, durch die das Red-Bull-Spiel gekennzeichnet sind. Doch nach denen hat Ole Werner bislang noch nie gearbeitet. Das ist nicht nur für den Klub, sondern auch für ihn selbst eine große Herausforderung. Auf der einen Seite muss er jetzt immens viel lernen und den Red-Bull-Fußball adaptieren – von allen gehandelten Kandidaten hat er sicherlich das größte Adaptionsdelta. Auf der anderen Seite will er selbst ja für etwas stehen und seine eigene Handschrift zeigen. Dieser Spagat wird sicherlich anspruchsvoll, denn Werner muss sich hinsichtlich seiner Spielphilosophie als Trainer ein Stück weit neu erfinden. Doch die Ansätze in Bremen zeigen, dass er dazu durchaus in der Lage sein und in Leipzig in der Situation des Umbruchs etwas Neues entstehen kann.

Professor Daniel Memmert ist geschäftsführender Leiter des Instituts für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule Köln. Am 15. November 2025 veranstaltet er an der DSHS die Matchplan-Konferenz, bei der die Themenfelder Coaching, Analyse und Scouting im Fokus stehen. Key-Note-Speaker sind in diesem Jahr Roger Schmidt und Gerhard Struber (Bristol City), auch Otmar Schork (Geschäftsführer 1. FC Magdeburg) gehört zu den Gästen. Bei LinkedIn und Instagram postet Memmert zu seinem Spezialthema Spielanalyse.