RB-Trümpfe stechen Tedesco zockt Leipzig zur Rekord-Rückrunde
Man kann sich Domenico Tedesco trefflich als hervorragenden Kartenspieler vorstellen. Der 36-Jährige kann eine Miene aufsetzen, die kein Fünkchen verrät, welches Blatt er auf der Hand hat oder welche Strategie er verfolgt. Ein Zocker, der genau weiß, was er tut. Beim immens wichtigen 1:0 (0:0)-Auswärtscoup bei Bayer 04 Leverkusen brachte der Trainer von RB Leipzig seine Asse genau zur richtigen Zeit. „Wir spielen diese Karten sehr, sehr gut aus”, freute sich Tedesco. „Die Einwechslungen tun uns immer gut. Dieser Spirit ist sehr wichtig.”
Mit sieben neuen Spielern in der Startelf hatte RB nach dem Halbfinaleinzug im Europapokal in diesem für die Champions-League-Qualifikation so wichtigen Spiel begonnen – durchaus ein Risiko. Doch das ging auf, weil RB im ersten Durchgang die Null hielt und dann in der zweiten Hälfte mit Christopher Nkunku, Dani Olmo & Co. abgezockt im Stile einer Spitzenmannschaft den 1:0-Erfolg einfuhr.
Unter Tedesco befindet sich RB Leipzig im Frühjahr in Hochform
Nach zu fehlerhaften ersten 45 Minuten, in denen sich beide Teams im Kampf um Rang neutralisierten und zu ungenau agierten, zog Rasenballsport mit Nkunku Tempo und die Präzision an. „Diese Mannschaft hat nicht nur einen Lauf, sondern steht wirklich gut auf dem Platz”, sagte Bayer-Trainer Gerardo Seoane verblüfft.
Als Tabellenelfter hatte sein Kollege Tedesco das Team im Dezember übernommen, nun hat RBL der Bayer-Elf Rang drei entrissen und mit 32 Zählern seit der Winterpause bereits jetzt mehr Punkte geholt, als in der kompletten Rückrunde in der Vorsaison. Nach der Energieleistung in Bergamo nun auch in Leverkusen die nächste Härteprüfung erfolgreich zu bestehen, ist bemerkenswert. Während Leipzig unter Vor-vor-Gänger Julian Nagelsmann im Frühjahr, wenn es um Titel geht, zweimal einbrach – genau wie übrigens Bayern München aktuell – hat RB nun unter Tedesco gerade seine Hochform erreicht. Noch nie hat Rasenballsport in der Bundesliga in der zweiten Saisonhälfte bis zum aktuellen Zeitpunkt zuverlässiger gepunktet. Nur noch drei Zähler fehlen, um den bisherigen Rückrunden-Rekord von 35 Zählern unter Ralf Rangnick 2018/19 einzustellen.
Strategie unter Tedesco: Erst abwarten und dann die Trümpfe ausspielen
Es macht Tedesco und sein Team aus, dass er potenzielle Problemfälle wie Szoboszlai so aufgebaut hat, dass der Ungar nicht die beleidigte Diva spielt, sondern sich mit Macht ins Team arbeitet. Wie bereits gegen Hoffenheim avancierte er auch gegen Leverkusen zum Matchwinner. „In fünf Sekunden kann alles entschieden werden. Wir wollten den Sieg mehr”, sagte der Mittelfeldspieler. Dass der 21-Jährige, der in Leipzig die erste schwere Phase seiner Karriere hatte, nun wieder auf dem Weg zurück zu alter Salzburger Stärke ist, zeigt exemplarisch, wie Tedesco mit Spielern arbeitet. Bereits vor vier Woche habe Szoboszlai starke Trainingsleistungen gezeigt, aber kaum von Beginn an gespielt. In einem längeren Gespräch zeigte der Trainer dem Jungstar auf, wann seine Zeit kommen würde. Das ist nun der Fall, Szoboszlai hat so gute Argumente für sich gesammelt, dass es dem Coach schwerfallen dürfte, ihn im DFB-Pokal-Halbfinale gegen Union Berlin (Mi., 20.30 Uhr) auf die Bank zu setzen. „Breite Kader mit so viel Qualität sind schön, aber sie können ganz sicher davon ausgehen, dass es auch ganz viel Arbeit für einen Staff bedeutet, zu kommunizieren”, erklärte Tedesco. Ein Geheimnis des aktuellen RB-Erfolges.
Dazu kommt das abwartende Spiel unter dem gebürtigen Italiener, der selten sofort all-in geht, sondern sich die Gegner zurechtlegt und seine Trümpfe mit Bedacht ausspielt. „Wir gehen in jedes Spiel so rein, dass wir in den ersten zehn, 15 Minuten schauen, was der Gegner macht und dann reagieren wir darauf”, verriet Szoboszlai. Mit dominanten Ballbesitzphasen und Kombinationsspiel verschleiert RB regelrecht, was das Team eigentlich vorhat: zu kontern, so wie beim Tor des Abends in der BayArena.
Der Zocker in Tedesco wird auch gegen die gut organisierten Unioner gefragt sein, um RB zum dritten Mal ins DFB-Pokalfinale nach Berlin zu führen.