RB LeipzigUltimatum für Jesse Marsch? RB Leipzigs Trainer verneint: "Ich lebe in der Realität"
Mit nur 18 Punkten aus 13 Ligaspielen verantwortet Jesse Marsch aktuell den schlechtesten Saisonstart in der Vereinsgeschichte von RB Leipzig. Logisch, dass erste Spekulationen die Runde machen, welche Grenze die Vereinsführung dem US-Amerikaner setzt, um die Trendwende herbeizuführen. 30 Punkte, so heißt es, halte man intern für aussagekräftig.
30 - das bedeutet, Marsch muss sein Personal in den noch verbleibenden vier Ligaspielen zu vier Siegen führen. Utopisch? Der Trainer meinte dazu auf der Pressekonferemz vor der ersten Partie der vier gegen Union Berlin Freitagabend (20.30 Uhr), er kenne keine solche interne Vorgabe und hält sie in der jetzigen Phase auch nicht für zielführend: "Ich lebe in der Realität."
"Wir denken von Tag zu Tag"
Ist also nicht zu schaffen? Der 47-Jährige lief einen Umweg, um sich die 30 vom Leib zu halten. Er gab dabei ein Gespräch mit dem kaufmännischen Leiter Sport, Florian Scholz, wieder, der gemeinhin als "rechte Hand" von Klubchef Oliver Mintzlaff gilt. Der ehemalige Sportreporter habe ihm vor zwei Monaten vorgerechnet, wo und gegen wen man welche Punkte holen könnte, um auf Kurs Champions-League-Rang zu bleiben. "Ich habe ihm gesagt", so Marsch, "Flo, wir denken von Tag zu Tag und Spiel zu Spiel. Ich lebe in der Realität und frage mich immer, was ist passiert, was können wir daraus lernen, was ist wichtig für den nächsten Tag, den nächsten Schritt, das nächste Spiel. Punkt.‘“
Also doch keine interne Vorgabe? Nach der Bayer-Pleite hatte Spieler Konrad Laimer die 30 indirekt als Leitmotiv für die letzten Jahresauftritte bestätigt. Angefressen von der fehlenden Konstanz des Kaders, der zuletzt nach jedem Sieg postwendend eine Niederlage kassiert hatte, sagte der Österreicher: "Wir müssen jetzt alle Spiele gewinnen!"
Ob nun als Vorgabe oder Ansporn, Ultimaten gelten Vereinsspitzen immer als probates Mittel, um Trainern die Möglichkeit zu geben, einen Trend umzukehren. Hintergrund ist die offene Frage, ob man noch Vertrauen zum Übungsleiter hat, oder eben nicht. Sollen die nächsten Spiele doch die Antwort liefern.
In der Kritik allein, bei Huldigungen einer von vielen
Marsch aber verneinte, dass die Vereinsspitze am Cottaweg wachsende Zweifel an seinen Fähigkeiten hege. "Von Anfang an war meine Verbindung zu unserer Vereinsführung sehr stark und sehr gut. Auch das Vertrauen. Wir haben immer einen guten Austausch gehabt und konnten ehrlich zueinander sein." Selbst dann, wenn man unterschiedlicher Meinung gewesen sei, wie der Coach betonte, dem Mintzlaff den Cheftrainerposten im Sommer überreicht hat. "Wir haben verschiedene Meinung in verschiedenen Situationen. Ich war immer bereit, flexibel zu sein."
Wie es früher war, bedeutet freilich nicht, dass es morgen auch noch so ist. Das ist im Fußball nicht anders, als gerade in der Politik. Alles dreht sich um Zahlen, im Profifußball sind das Spielergebnisse und Tabellenränge, die letztlich darüber entscheiden, wie sich ein Verein finanziell entwickelt. Doch Marsch ließ auch in dieser Frage nicht durchblicken, dass sich an der gegenseitigen Wertschätzung etwas geändert habe, gleichwohl er sich bewußt ist, wer ganz vorn steht, wenn der Wind am heftigsten bläst "Wir verstehen alle, dass die Situation nicht einfach ist. Ich bekomme viel Kritik ab, das muss so sein, das ist mein Job als Trainer. Ich fühle mich stark und habe nicht das Gefühl, dass ich alleine bin."
Vier Spiele also, und wenn auch die 30 vielleicht keine Reißleinen-Grenze markiert, so ist dem Trainer dennoch bewußt, dass diese vier Spiele über seine Zukunft am Cottaweg entscheiden. "Ich hoffe, wir kommen aus der Situation raus", sagte Marsch und verdeutlichte mit leichtem Sarksamus, dass er genau versteht, wie der Hase nunmal läuft. "Ich nehme in schwierigen Zeiten die Kritik auf mich, und wenn dann die Komplimente kommen, dann können wir alles miteinander teilen." (RBlive/hen)