„scho erstaunlich, dass man mit sowas Geld machen kann” So denkt Christian Streich über RB Leipzig
Freiburgs Trainer Christian Streich gilt als das personifzierte Gewissen des deutschen Fußballs. An diesem Samstag trifft er zum 20. und vorerst letzten Mal auf RB Leipzig.
Leipzig/Freiburg – Wenn RB Leipzig an diesem Samstag beim SC Freiburg gastiert (15.30 Uhr), dann ist das für die Leipziger auch die vorerst letzte Begegnung mit Christian Streich, der seinen Job als Cheftrainer im Breisgau nach zwölfeinhalb Jahren zum Saisonende abgibt. Der nicht nur für Fußballfachliches, sondern auch für gesellschaftliche Einlassungen geschätzte Streich begleitete als Konkurrent und Beobachter auch den Weg von RB in die Bundesliga. 19 mal kreuzte er mit Rasenballsport bereits die Klingen, unter anderem im denkwürdigen DFB-Pokalfinale 2022 mit dem Leipziger Triumph im Elfmeterschießen.
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Das erste Duell datiert vom 24. September 2015, als Freiburg gerade in der 2. Liga war und wie RB hinauf ins Oberhaus wollte. Streich hatte stets seinen ganz eigenen Blick darauf, was gerade in Leipzig entsteht. Vor den sportlichen Leistungen hatte er stets höchsten Respekt. „Leipzig ist das Maß der Dinge in der 2. Liga. Wer sich an Leipzig orientieren und dranbleiben kann, der ist oben dabei“, stellte er vor der ersten Begegnung trocken fest. Und behielt Recht. Am Ende stiegen SCF – sogar als Zweitliga-Meister – und RBL gemeinsam auf.
Streich über RB: „Kenne mich ja in solchen großen Firmen nicht aus”
Streich erkannte früh, mit welcher Konsequenz Red Bull agieren würde, um die Bundesliga zu erobern. Lakonisch, auch etwas ohnmächtig angesichts der finanziellen Übermacht, sagte Streich damals: „Wenn sie im Dezember nicht zufrieden sind, weiß man ja, was passiert. Dann werden entsprechende Maßnahmen ergriffen in Leipzig, dann wird man sich noch mehr Qualität ins Haus holen und dann klappts dieses Jahr. Und wenn nicht, dann klappts eben nächstes Jahr. Das werden wir und die Kollegen, die auch um den Aufstieg kämpfen, nicht über viele Jahre verhindern können.” Leipzig werde „unter den besten sieben, acht Mannschaften in Deutschland dabei sein”, urteilte er damals. „Sie machen es gut, das muss man neidlos anerkennen. Das wird ein wichtiger Faktor im deutschen Fußball werden, wenn nicht plötzlich der Geldhahn zugedreht wird”, prophezeite Streich zu Zweitliga-Tagen.
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Der Sohn eines Metzgers äußerte seine Kritik am RB-Modell nie mit Schaum vor dem Mund, sondern immer angenehm subtil. „Das muss man erstmal alles steuern, managen, hinkriegen. Ich kenne mich ja in solchen großen Firmen und Institutionen nicht aus”, bekannte er achselzuckend und mit nach unten gezogenen Mundwinkeln. „Ich kann nur von außen draufschauen. Sie stehen ja auch in der Kritik, das muss man alles aushalten.”
Streich über Red-Bull-Sponsoring: „Manchmal fliegen sie an Felsen dran – dann sind sie tot”
Vor dem legendären Rückspiel im März 2016, bei dem ein plötzlicher Wintereinbruch im Breisgau mit starkem Schneefall die Leipziger überraschte und die Gäste 1:2 im Aufstiegsrennen patzten, wurde Streich nach seiner Meinung zu Energy Drinks befragt. „Ich kenne mich da nicht aus, ich habe es noch nie probiert, ich weiß es net”, sagte er. Aber irgendwoher müsse die Popularität ja kommen, „sonst hätten sie nicht so viel Geld. Es ist scho erstaunlich, dass man mit sowas so viel Geld machen kann – verrückt”, sinnierte Streich über Leipzigs Investor und brachte ganz beiläufig zum Ausdruck, was er von der Marketingmaschine hält. „Die fliegen ja auch durch Felsen durch, manchmal fliegen sie an Felsen dran – dann sind sie tot. Aber das gehört ja zu der Idee dazu.”
Der Idee, den Fußball-Standort Leipzig wiederzubeleben, konnte Deutschlands personifiziertes Fußballgewissen von Beginn an etwas abgewinnen. „Sie haben eben einen Standort ausgesucht, wo sie gesagt haben, sie können ein Feld bestellen”, so Streich. „Ich bin auf jeden Fall ein Befürworter, dass überall in der Republik Spitzenfußball stattfindet”, betonte er und schob in alemannischer Mundart nach: „ Nicht nur im Süde, im Weschte und im Norde – auch im Oschte.”
„Wir kämpfen gegen sie und wir respektieren sie, weil das alles Menschen sind”
Als beim 5:1-Sieg von RB im DFB-Pokal-Halbfinale 2023 die Stimmung hochkochte und Gegenstände auf den Platz flogen, wurde Streich deutlich: „Wir haben eine völlig andere Idee, unser Verein ist völlig anders strukturiert als Rasenballsport Leipzig. Das sind andere Geschäftsmodelle”, hob Streich nach Spielende ungefragt an und fuhr fort: „Aber eins ist klar: Wir spielen gegen Leipzig, wir kämpfen gegen sie und wir respektieren sie, weil das alles Menschen sind. Wir tun alles – alles –, damit wir das Spiel gewinnen. Aber wir sollten auch alles tun beim SC Freiburg, dass wir respektieren, wenn wir ein Spiel verlieren”, mahnte Streich. Der 58-Jährige wird der Bundesliga fehlen, denn keiner bringt die Wahrheiten zu den großen Themen des Fußballs so glaubhaft auf den Punkt bezieht so ehrlich und reflektiert Position wie Streich.