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RB Leipzig„You’ll never drink alone”: Bei Celtic sind die Fans der Star

08.11.2018, 09:03
Beeindruckender Trophäenschrank: Boardroom des Celtic FC im „Paradise”
Beeindruckender Trophäenschrank: Boardroom des Celtic FC im „Paradise” RBlive

Die Fans von Celtic Glasgow und die uralte Geschichte des Klubs sind der Star bei den Grün-Weißen. Eine Entdeckungstour auf den Spuren Celtics. Von Ullrich Kroemer, Glasgow.

Es ist 48 Jahre her, doch Martin muss nicht lange überlegen, um sein erstes Celtic-Spiel zu nennen. „16. November 1970”, sagt der Glasgower so sicher, als habe man ihn nach seinem Geburtsdatum gefragt. „Gegen Waterford.” Seither ist er dem Klub mit dem Kleeblatt im Wappen verfallen, auch wenn viele in seiner Familie Fans des Lokalrivalen Rangers seien. In Anlehnung an den Jürgen-Klopp-Spruch sagt Martin lachend: „I’m the normal one in the familiy.”

Und seit einigen Monaten hat er seine Liebe zum Beruf gemacht. Der freundliche Mann mit dem schütteren Haar trägt jetzt stolz das dunkelgrüne Sakko seines Klubs und führt hauptamtlich durchs Stadion Celtic-Park. Die Celtic-Anhänger nennen ihre Spielstätte liebevoll „Paradise”, weil direkt auf dem Hügel dahinter ein Friedhof liegt. Passend dazu erscheint bei der Stadiontour ein Regenbogen über der Tribüne. Hier muss das Paradies in dieser sonst so grauen Stadt tatsächlich nah sein.


Auch die Fans von RB Leipzig zieht die Atmosphäre im Celtic-Park in ihren Bann, 2500 haben sich in die schottische Metropole aufgemacht, um Rasenballsport beim vierten und möglicherweise vorentscheidenden Europa-League-Gruppenmatch an diesem Donnerstag (21 Uhr) zu unterstützen.

„Alles Psychologie”: Gegnerische Spieler sollen sich in den Katakomben beengt und unwohl fühlen

Stolz zeigt Martin die mächtige Trophäensammlung im sogenannten Boardroom, wo die Klubbosse beider Vereine im Schatten der Pokale vor dem Spiel dinieren werden. Hier stehen neben unzähligen schottischen Pokalen Nachbildungen des Europapokals der Pokalsieger, den Celtic 1967 in Lissabon gegen Inter Mailand sensationell errungen hatte. Der größte Erfolg der Klubgeschichte. Noch heute sind die „Lisbon Lions” legendär und omnipräsent.

Gleich neben dem musealen Triumpheschrein werden sich zu diesem Zeitpunkt die Teams in den mit Teakholz-Spinden ausgestatteten Umkleiden umziehen. Auf den Türen der Schränke finden sich die Autogramme der Spieler, die in den Generationen zuvor auf diesen Plätzen saßen. Hier ist nicht die Mannschaft oder der Trainer, sondern vielmehr die Geschichte des Klubs und vor allem die Fans, die für die legendäre Atmosphäre sorgen, die Stars!

Im Gegensatz zur Heimkabine ist der Gang zur Gästekabine eng und düster. „Das soll die gegnerischen Spieler beeindrucken, dass sie sich unwohl fühlen”, erklärt Martin und freut sich dabei diebisch.

Auf weiß-grünen Kacheln im ebenso klaustrophobisch engen Spielertunnel stehen die Namen der Unterstützer. Bei der Führung erklingt die Hymne „You’ll never walk alone” noch vom Band, die später beim Spiel aus über 55.000 Kehlen geschmettert werden wird.

Alte Celtic-Tradition: 67-Foundation versorgt Kinder in Afrika

Wir fragen Martin, was Celtic den Menschen über den Fußball hinaus gibt. „Das ist der Charity-Gedanke”, sagt der Mittsechziger. „Die 67-Foundation versorgt Kinder in Afrika. Das ist die alte Celtic-Tradition, die Armen zu versorgen.” Zum 131. Geburtstag am Dienstag fasteten viele Celtic-Fans in Gedenken an den Klubgründer Walfried. Ein Mönch, der Celtic „erfand”, um Geld für Armenspeisungen einzuspielen. Eine karitative Marketing-Maßnahme des 19. Jahrhunderts sozusagen. Zwar ist Celtic nach wie vor der Verein der irischen Einwanderer und Katholiken. Doch Martin betont: „Der Klub selbst ist total apolitisch und nicht religiös, sehr inklusiv. Hier ist jeder willkommen.“ Die Green Brigade, die Ultras hingegen, sei „sehr politisch“.

Das ist unter anderem im Pub „The Brazen Head“ zu erfahren. Wer verstehen will, wo Celtic herkommt und was es für seine Fans bedeutet, findet hier Antworten. Der grün-weiß gestrichene Pub – Motto: „You’ll never drink alone“ – liegt 20 Fußminuten von Glasgows Zentrum entfernt in den sogenannten Gorbals, einem früheren Slum.

„Wir sind fucking Sozialisten, Rebellen, Revolutionäre”

Allan, ein Endfünfziger mit schulterlangen, graue Haaren, wenig Zähnen und glasigem Blick, sagt: „Wir sind fucking Sozialisten, Rebellen, Revolutionäre. Wir hassen Rassisten!“

Die atmosphärische Kneipe ist über und über mit Celtic-Devotionalien behängt. An den Wänden hängen zahllose Fotos, einige meterhoch, der Helden in Grün-Weiß. Die Stimmung hier ist rau, aber herzlich. Eine Ansammlung von teils kaputten, aber liebenswerten Typen. Jeder stellt sich den Gästen aus Leipzig sofort mit Namen und Handschlag vor, setzt sich auf eine Pint und einen Plausch zu uns. Zwar sind die Ticketpreise mit etwa 28 Pfund im Vergleich zu England moderat. Doch viele hier können sich das nicht regelmäßig leisten und schauen das Spiel gegen RB lieber im Pub.

So wie Seaghdh, der plötzlich mit einer Nachbildung des legendären 67er-Cups posiert. Der weißhaarige Alte drückt uns zum Abschied die Hand und gibt uns eine Kerze mit dem Konterfei der heiligen Theresa mit auf den Weg, die uns beschützen soll. Fußball ist hier in Glasgow tatsächlich Lebensinhalt und Religion. Und das „Paradise” wartet nicht erst am Lebensende, sondern alle 14 Tage auf Fans wie Martin, Allan und Seaghdh.

Der Mann mit dem Pokal und der Kerze: Seaghdh im Pub „The Brazen Head”
Der Mann mit dem Pokal und der Kerze: Seaghdh im Pub „The Brazen Head”
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