Leihtalente Schreiber, Wosz & Co. Verkauft RB Leipzig das Tafelsilber aus dem Nachwuchs?
Die Blamage des Halleschen FC im Landespokal bei Oberligist Wernigerode (1:2) verfolgte Torhüter Tim Schreiber aus sicherer Entfernung. Der im sächsischen Freital geborene Keeper von RB Leipzig, der an den HFC ausgeliehen ist, ist Teil des U20-Nationalkaders. Am Donnerstag saß der 19-Jährige beim 1:1 in Italien, bei dem die deutsche Mannschaft am Ende eine doppelte Unterzahl überstand, auf der Bank. Gut möglich, dass er am Dienstag in Colchester gegen England seinen zweiten U-20-Einsatz von Trainer Christian Wörns erhält. Jedenfalls plant der Bundestrainer nach starken Leistungen in der 3. Liga langfristig mit dem Youngster.
Nilsson: „Tim Schreiber hat den Konkurrenzkampf beim HFC voll angenommen”
Dass Schreiber mit nur 19 Jahren bereits 19 Saisoneinsätze für Halle hat, ist für einen Keeper außergewöhnlich und unersetzbar. Nicht umsonst wurde sein Marktwert von dem Portal transfermarkt.de kürzlich auf den Schätzwert von 600.000 Euro angehoben.
Bei RB Leipzig werden die internationalen Einsätze der Leihspieler aus dem eigenen Stall ebenso freudig registriert wie deren Leistungen bei den derzeitigen Arbeitgebern. Ex-Profi Per Nilsson, bis Mittwoch Leiter des sogenannten Career Centers bei Rasenballsport, sagte MZ/RBlive noch vor seinem Abgang: „Tim hat den Konkurrenzkampf beim HFC voll angenommen. Dies war sicherlich ein wichtiger Faktor für seine sehr guten Leistungen. Wir befinden uns im ständigen Austausch und werden in den nächsten Wochen gemeinsam entscheiden, was der richtige Schritt ab Sommer ist.“ Schreiber hatte bekundet, gern in Halle bleiben zu wollen, sagte aber auch zu seiner Zukunft: „Die Entscheidung trifft Leipzig.“ Der HFC ist in der Warteschleife. Den jungen Keeper fest zu verpflichten, erscheint angesichts seines gestiegenen Wertes allerdings finanziell nicht stemmbar. Der Fluch der guten Tat.
Wosz senior: „Joschas Spielzeit bei RB Leipzig würde in der kommenden Saison nicht steigen”
Wo Schreiber ab Sommer spielen wird, ist also noch völlig offen. Ähnlich ist die Situation beim ebenfalls aus Leipzig ausgeliehenen Joscha Wosz. „Joschas Spielzeit bei RB würde in der kommenden Saison nicht steigen”, sagt sein Vater Zbigniew der MZ/RBlive. Er sei daher mit Vereinen aus der 2. Liga im Austausch, „aber auch eine Zukunft beim HFC ist möglich”, sagt Wosz senior. Joscha fühle sich „sehr wohl in Halle mit der Mannschaft, die ihn sehr gut aufgenommen hat, dem Trainer und dem Umfeld. Wir wollen einen Verein, bei dem er Zeit bekommt, zu reifen und wo er gebraucht wird.”
Während die Interessenten bereits mit den Hufen scharren, lässt sich RB Zeit. Die Absicht, die jungen verliehenen Spieler – die prominentesten sind die U21-Nationalspieler Tom Krauß (Nürnberg), Frederik Jäkel (Oostende) und Eric Martel (Austria Wien) - zurück nach Leipzig zu holen, ist nicht zu erkennen. „Wir werden wie immer die beste Entscheidung für den Spieler gemeinsam mit seinem Umfeld treffen und legen uns zum jetzigen Zeitpunkt weder auf etwas fest oder schließen etwas aus“, hatte Nilsson gesagt. Laut MZ-/RBlive-Informationen würden die Rasenballsport-Manager das Tafelsilber aus dem Nachwuchs wohl am liebsten verkaufen. Derzeit ist jedenfalls nicht absehbar, dass einer aus der Riege für den Kader in der kommenden Saison vorgesehen ist.
Wie geht es nach erfolgreichen Leihen bei RB weiter?
Der erste Schritt, die 18-Jährigen mit genügend Qualität aus der Kaderschmiede zu entlassen und ihnen Einsatzzeiten im Männerfußball zu verschaffen, ist in vielen Fällen gelungen. Doch nun scheint aktuell die klare Idee zu fehlen, wie es mit ihnen weitergeht. Das mag auch mit den Strukturen bei RB zu tun haben: Sportdirektor und Sportchef kommen erst im Sommer, Recruiting-Mann Nilsson und der Klub haben sich am Mittwoch getrennt, weil der Schwede zu einer Berateragentur wechseln will.
Andere Klubs dürfen sich also meistbietend bewerben: Auch Schreiber mangelt es nicht an Optionen. Doch die Chance, dass er noch ein weiteres Jahr beim HFC bleibt, ehe er weiterzieht, besteht immerhin. Bei RB dürfte er keine Perspektive haben, weil das Torhüterteam hinter Peter Gulacsi mit Josep Martínez und dem neu verpflichteten Jannis Blaswich bereits besetzt ist – und Schreiber weiter spielen will, anstatt wie die anderen Konkurrenten Gulacsis jahrelang auf der Bank zu schmoren.