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RB Leipzig„Er hat alles, was man sich als Spieler erträumt”: Ex-RB-Leipzig-Spieler Clemens Fandrich über die Magie des Domenico Tedesco

Von Ullrich Kroemer 10.12.2021, 06:00
Domenico Tedesco als Trainer des FC Erzgebirge Aue mit seinem damaligen Schützling Clemens Fandrich.
Domenico Tedesco als Trainer des FC Erzgebirge Aue mit seinem damaligen Schützling Clemens Fandrich. imago/Eibner

Clemens „Fanne” Fandrich absolvierte von 2013 bis 2015 46 Spiele für RB Leipzig und spielt nach der Zwischenstation FC Luzern seit 2016 für den Zweitligisten Erzgebirge Aue. Im Frühjahr 2017 übernahm ein bis dato unbekannter Fußballlehrer den damaligen Tabellenletzten: Domenico Tedesco. Er betreute die Auer nur für elf Spiele, doch im Erzgebirge verehren sie den Retter immer noch wie einen Heiligen. Im Interview mit RBlive spricht der heute 30 Jahre alte (und gerade gesperrte) Fandrich über die außergewöhnlichen Qualitäten des Taktikgenies und Menschenfängers.

Clemens, RB Leipzigs neuer Cheftrainer Domenico Tedesco übernahm Aue im Frühjahr 2017, als der Klub Tabellenletzter war. Wie arbeitet er, was waren damals seine ersten Maßnahmen?
Clemens Fandrich: Keiner kannte ihn damals, alle dachten, dass wir uns erstmal auf dem Platz kennenlernen. Aber er ist direkt mit einer Videoanalyse eingestiegen und hat uns sofort auf das erste Spiel vorbereitet, das in Kürze anstand. Nach der Videositzung dachte jeder: Was ist denn hier auf einmal los? Wenn das aufgeht, dann gewinnen wir das Spiel am Wochenende!

Die Situation bei RB ist vergleichbar. Das Spiel gegen Mönchengladbach ist schon am Samstag.
Absolut. Ich glaube, dass er schon jetzt seinen detaillierten Matchplan für dieses Spiel in der Tasche hat. Seine absolute Stärke ist es, allen seinen Plan unkompliziert, einfach und absolut verständlich zu vermitteln. Das hat er bei uns außergewöhnlich hingekriegt. Wir waren von der ersten Sekunde an überzeugt von dem, was er vorhatte.

Domenico hat mich taktisch auf ein neues Niveau gehoben

Clemens Fandrich über Domenico Tedesco

Sie waren damals von RB Leipzig nach Aue gewechselt. War diese taktische Tiefe für Sie dennoch neu?
Jeder Trainer hat seine Schwerpunkte und Stärken. Aber taktisch hat mich Domenico durch seine Prägnanz und Kreativität in der Tat auf ein neues Niveau gehoben.

Welches Erlebnis oder besondere Spiel verbinden Sie mit ihm?
Ich erinnere mich ganz gut an ein Spiel gegen Union Berlin. Domenico hat in der Woche zuvor nur eine zehnminütige Videoanalyse gemacht, die fiel ungewöhnlich kurz aus. Er hat uns nur zwei Schwerpunkte genannte: Wenn der Gegner uns so anläuft, spielen wir da hin. Und wenn er uns anders anläuft, dann auf die andere Seite. Wir waren zunächst skeptisch, das klang zu einfach.

Und?
Als dann das Spiel begann, lief Union uns genauso an wie gedacht. Wir haben uns an den Plan gehalten und jeder von uns hatte so unfassbar viel Platz, wie der Trainer das vorausgesehen hatte. Da war der Punkt gekommen, an dem ich gedacht habe: Das gibts doch gar nicht! Er hatte genau den Schlüssel gefunden, um Union zu knacken. Kurz, knapp und genau.

„Nach seinen Ansprachen über den Platz geflogen”

Mit diesem außergewöhnlichen taktischen Verständnis ist es verwunderlich, dass er auf Schalke in der zweiten Saison gescheitert ist und sich schnell verbraucht hatte.
Er hat in den drei Monaten in Aue alles mitgebracht, was man sich als Spieler erträumt. Er ist taktisch überragend, menschlich ein geiler Typ, und er ist auch ein Motivator. Wenn ich an einige Ansprachen denke, da bist du in den ersten zehn Minuten über den Platz geflogen, weil du nach seiner Rede wach warst. Das sind die drei entscheidenden Punkte.

Wie geht er mit den Spielern um?
Er ist ein liebenswerter Kerl, kann aber auch schnell grantig werden, wenn ihm etwas nicht passt – genau richtig. Mit dem Wissen, das er hat, hat er sich bei uns Spielern sofort Respekt verschafft. Und er hat auch mit den Spielern gesprochen, die hinten dran waren und den ganzen Kader mitgenommen. Nicht nur die ersten elf. Auch der 22. Mann hat gespürt, dass er echt gebraucht wird. Das ist eine Riesenstärke. Man weiß nicht, wie es in der zweiten Saison weitergegangen wäre. Aber damals hat alles geklappt, was er gesagt und angefasst hat. Es gab ausschließlich Auftrieb. Er war für die 2. Liga überqualifiziert.

Wieviel hat er bei seinem Amtsantritt geändert?
Wir haben zuvor immer Vier-Vier-Zwei gespielt. Er hat die Dreierkette eingeführt plus einen Sechser vor der Kette, weil wir Stabilität brauchten. Das hatte er schon analysiert, bevor er zu uns kam. Drei plus eins nannte er das. Defensiv haben wir im 3-5-2-System gespielt, offensiv sind wir in einer 3-4-3-Formation angelaufen und haben mit drei Stürmern Druck auf die gegnerische Kette gemacht. Dazu hat er das Winkelspiel eingeführt, was essentiell für uns war.

Passender Spielstil für RB Leipzig? Tedesco bietet Mix aus Rangnick und Nagelsmann

Sie kennen das typische RB-Spiel sehr gut. Darauf müsste Tedesco optimal aufbauen können, oder?
Das ist für ihn absolut nichts Neues. Er hat das RB-System in Hoffenheim gelernt, aber gepaart mit Ballbesitz. Er will genauso wie Ralf Rangnick schnelle Balleroberungen, der erste Blick soll immer nach vorn gehen, ob man den Ball steil spielen kann. Wenn das aber nicht geht, heißt es auch, in Ballbesitz zu gehen, wie Nagelsmann das gefordert hat. Vieles aus dem RB-Stil trifft auch auf ihn zu, und er hat das Zeug dazu, das mit der Mannschaft weiterzuentwickeln.

Sie haben zwei Aufstiege bei RB erlebt. Wie ist Ihr Verhältnis zum Klub heute?
Ich habe immer noch Kontakt zu ein, zwei Leuten, auch zu Trainern wie Marco Kurth und Sebastian Heidinger, auch zur Geschäftsstelle, der Kontakt ist nie abgerissen.

Gerade verbüßen Sie eine Sperre von sieben Spielen, weil Sie einen Linienrichter aus nächster Nähe angespuckt haben sollen, als sie ihn anbrüllten und dabei Speichel flog. Wie gehen Sie mental mit der langen Zeit ohne Spiele um?

Ich muss für eine Sache geradestehen, die ich so nicht getan habe. Das ist brutal und macht es nochmal schlimmer. Ich war froh, dass die Strafe immerhin von sieben Monaten auf sieben Spiele korrigiert wurde. Anfangs hatte ich viele schlaflose Nächte. Das war eine komplett neue Situation für mich. Ich war zwölf Jahre lang unbescholten, da ging mir eine solch extreme Strafe an die Nieren. Aber mittlerweile ist es einfach nur mein Ziel, dass ich am 15. Januar auf St. Pauli in Höchstform auflaufen und der Mannschaft wieder helfen kann. Solange fühle ich mich trotzdem als Teil der Mannschaft, trainiere normal mit und war sogar bei allen Auswärtsspielen dabei. (RBlive/ukr)