RB LeipzigRB Leipzig vor der Saisonvorbereitung: Was ändert sich unter Julian Nagelsmann?
Bereits seit Mitte letzter Woche ist Neu-Coach Julian Nagelsmann in Leipzig. Am Montag versammelte sich erstmals der komplette Trainerstab inklusive der Co-Trainer Robert Klauß, Moritz Volz und Benjamin Glück (Videoanalyse) am Cottaweg.
Ab Freitag beginnt bei RB Leipzig mit Leistungstests die Vorbereitung auf die kommende Spielzeit. Drei Tage später findet am 08.07.2019 das erste öffentliche Training statt. Komplett ist die Mannschaft dann noch lange nicht. Nicht nur weil RB Leipzig noch auf dem Transfermarkt aktiv sein will, sondern auch weil einige Nationalspieler sogar erst nach dem Trainingslager in Seefeld (14. bis 20.08.2019) in die Vorbereitung einsteigen werden. Erst dann werden mit Lukas Klostermann, Marcelo Saracchi, Ibrahima Konaté und Dayot Upamecano sowie Amadou Haidara jene Spieler zurückerwartet, die zuletzt noch an Turnieren teilnahmen oder wie im Fall Haidara immer noch teilnehmen.
Julian Nagelsmann will RB Leipzig prägen
Interessant wird, welche Veränderungen Julian Nagelsmann an der Mannschaft taktisch in den kommenden Wochen vornehmen wird. Ralf Rangnick und Julian Nagelsmann hatten in der Vergangenheit immer wieder betont, dass man sich sehr bewusst füreinander entschieden hat. Nagelsmann bekannte zudem, dass er in Bezug auf Pressing und Defensive bei RB Leipzig dazulernen wolle. Nach dem Abschied von Rangnick in globalere Red-Bull-Strukturen wird der Leipziger Neu-Trainer allerdings im Trainingsalltag nicht mehr so intensiv auf Rangnick zugreifen können, wie das möglich gewesen wäre, wenn der Sportdirektor geblieben wäre.
In Bezug auf die Weiterentwicklung bei RB Leipzig könnte dies am Ende auch von Vorteil sein. Ralf Rangnick hatte bei seiner Abschieds-Pressekonferenz bekannt, dass sein Verhältnis zu Nagelsmann in der kommenden Spielzeit nicht mehr so im Fokus der Berichterstattung stehen wird. Nagelsmann hatte zudem im letzten Sommer bereits bekannt, dass es ihn reize, dass „RB Leipzig ein Verein ist, den man noch prägen kann“.
Julian Nagelsmann zwischen Pragmatismus und stärkerem Ballbesitzfokus
Dabei steht Nagelsmann mehr als Rangnick für Ballbesitzstrukturen, ohne Elemente der Balleroberung zu vernachlässigen. Der Fußball verfüge mit „Ballbesitz, gegnerischem Ballbesitz und den beiden Umschaltsituationen Ballverlust und Ballgewinn“ über vier Komponenten, so Nagelsmann einst in einem 11Freunde-Interview. In Hoffenheim war er bemüht, die Ballbesitz-Komponente zu stärken. Genauigkeit in der Offensivaktion geht ihm dabei über übertriebene Geschwindigkeit, wie sie in Leipzig in der Vergangenheit oft gepflegt wurde.
Dogmatisch gab sich Julian Nagelsmann dabei aber nie, sondern eher als Trainer mit pragmatischen Ansätzen, der mit seiner Mannschaft in verschiedenen taktischen Variationen flexibel aufgestellt bleiben will. Das gilt einerseits für die Formationen, zwischen denen sein Hoffenheimer Team meist problemlos wechseln konnte. Und das gilt auch für taktische Variationen und die Frage, wie hoch man anläuft bzw. verteidigt und welche Angriffsstrukturen für einen bestimmten Gegner am geeignetsten sind. Als sehr anspruchsvoll beschreiben Spieler, die unter Nagelsmann aktiv waren, deshalb sein Training.
Hoffenheim letzte Saison mit viel Ballbesitz und guter Passquote
Angelegt war das Spiel der TSG Hoffenheim unter Nagelsmann als sehr intensiv und aktiv. 52,8% Ballbesitz waren der vierthöchste der Liga, während RB Leipzig gerade mal auf 49,5% kam (Platz 8). Mit der Passquote von 82% lag Hoffenheim auf Platz 5, während Leipzig mit schnellem Spiel in die Spitze nur auf 75,3% kam (drittschlechtester Wert der Liga).
Dabei war der Stil der TSG unter Nagelsmann auch sehr intensiv. Im Bereich der zurückgelegten Sprintstrecke lag man auf Augenhöhe mit RB Leipzig leicht über dem Schnitt der Bundesliga. In allen anderen Kategorien von gesamter Laufstrecke oder absolvierten intensiven Läufen lag Hoffenheim über dem Bundesligaschnitt und deutlich über den RB-Laufwerten. Gerade in englischen Wochen kam Nagelsmanns Mannschaft damit auch an die körperlichen Belastungsgrenzen.
Starke TSG-Offensivabläufe mit schwacher Chancenverwertung
Profitiert haben von Nagelsmanns Ansätzen bei der TSG vor allem die Offensivabläufe. 116 Großchancen erspielte sich die Mannschaft in 34 Spielen. Nur die Bayern konnten sich mehr Großchancen erarbeiten. In der Anzahl der Tore spiegelte sich das nur bedingt wieder. Mit 70 Toren lag Hoffenheim zwar ein Stück vor Leipzig (63), aber auch weit hinter Bayern (88) und Dortmund (81) zurück. Zehn Tore weniger erzielte die TSG als der Qualität der Chancen nach statistisch erwartbar gewesen wären. Kein Team der Bundesliga hatte eine derart negative Bilanz.
Defensiv ließ Hoffenheim derweil zu viele Schüsse und Chancen zu. Während RB Leipzig hier Rang 2 in der Liga belegte und die wenigsten Tore aller Teams kassierte, war Hoffenheim nur ein Durchschnittsteam und musste 23 Tore mehr hinnehmen als RB (52 vs. 29). Bei RB hofft Nagelsmann nun, dass mehr Geschwindigkeit und eine höhere Qualität in der letzten Reihe auch die Zahl der Gegentore reduziert.
Nagelsmann könnte einen offensiven, stärker, aber nicht ausschließlich auf Ballbesitz setzenden Fußball mit nach Leipzig bringen. Wenn er diesen mit der defensiven Stabilität von RB Leipzig in der letzten Saison vermischen kann und die Offensivkräfte mehr aus ihren Chancen machen als die TSG-Spieler in der letzten Saison, könnte es für den Trainer beim neuen Klub eine erfolgreiche Saison werden. Ab kommender Woche wird man nach und nach sehen, welche Veränderungen Nagelsmann in Leipzig angeht.