RB LeipzigParkhaus-Streit bei RB Leipzig: Aussage gegen Aussage
Die denkmalgeschützte Tribüne des ehemaligen Schwimmstadions gegenüber dem Stadion von RB Leipzig wittert seit Jahrzehnten weitgehend unbeachtet vor sich hin. Zuletzt wurde die Freiluft-Arena, die einst fast 10.000 Zuschauer fasste, als Freibad genutzt und 1999 geschlossen; 2004 folgte der Abriss – bis auf die denkmalgeschützte Nordtribüne samt ehemaligem Heizhaus.
Doch aktuell ist das etwa 17.000 Quadratmeter große Gelände prominentes Streit-Thema in der Messestadt: RB will das Areal kaufen, um ein Parkhaus, seine Geschäftsstelle samt neuer „Fanwelt” und auf Wunsch der Stadt auch ein Sportmuseum darauf zu errichten. Die Stadt um den am vergangenen Sonntag wiedergewählten Oberbürgermeister Burkhard Jung hingegen will das Grundstück nicht (mehr) abgeben, sondern lediglich für 99 Jahre an RB verpachten. Weil das laut Verein ganz anders vereinbart gewesen sei, ging der Klub mitten im Wahlkampf massiv an die Öffentlichkeit und warf OBM Jung (SPD) Wortbruch vor.
„Wenn ich mit jemandem über einen Kaufvertrag spreche und die Zusage war: ,Wir verkaufen euch das Grundstück unter gewissen Bedingungen’ – dann kann ich es nicht nachvollziehen, wenn der Oberbürgermeister erklärt, dass dies angeblich nie ein Thema war”, preschte RB-Klubboss Oliver Mintzlaff via Bild-Zeitung vor. Jung tue so, „als hätten wir nie über einen Kauf gesprochen und als ob es keine Zusagen gegeben hätte. Die gab es und die waren klar besprochen.”
RB vs. Jung: Aussage gegen Aussage
Ein offenes Zerwürfnis zwischen zwei Playern, die bislang eine unzertrennliche Symbiose bildeten. Der Klub bekam stets, was er wollte (Gelände am Cottaweg, Stadion) und im Rathaus waren sie dankbar, dass der polarisierende Spitzenverein mit immenser Strahlkraft in ganz Europa für Leipzig wirbt. Nun aber steht Aussage gegen Aussage.
2018 hatte RB erstmals Interesse bekundet, das Grundstück zu kaufen und in Höhe von etwa 50 Millionen Euro investieren zu wollen. Wohlwissend, dass der Stadtrat grundsätzlich beschlossen hatte, keine kommunalen Gelände mehr zu verkaufen. Jung brachte die Anfrage im Mai 2019 dennoch im Ältestenrat ein, dem der OBM und die Fraktionschefs aller Parteien angehören. Über das Ergebnis dieses Gesprächs herrscht Uneinigkeit. „Es wurde mit den Fraktionsvorsitzenden besprochen, dass RB seine Ausbaupläne in den städtischen Gremien präsentieren kann, was anschließend in einer gemeinsamen Sitzung verschiedener Fachausschüsse auch erfolgt ist”, teilte ein Rathaussprecher auf MZ-Nachfrage mit. Und: „Es wurden an RB immer beide Optionen –Verkauf und Erbpacht – kommuniziert, mit dem klaren Hinweis, dass der Leipziger Stadtrat für die Verkaufs-Option nur sehr schwer zu gewinnen wäre.”
RB pocht hingegen darauf, dass der Ältestenrat einem Verkauf unter Bedingungen zugestimmt habe: Der Klub solle das Sportmuseum integrieren, die Stadt wolle Miteigentum an dem Gebäude behalten, in dem das Sportmuseum integriert wird, und das Parkhaus solle unterirdisch gebaut werden.
Jung gab Grünen eine „Zusage” – RB wusste von nichts
Da der Bau einer Tiefgarage in sumpfigem Terrain wie dem Stadiongelände vier mal so teuer ist wie ein oberirdisches Parkhaus, holte RB einen Investor ins Boot. Das habe die Stadt abgelehnt, da es im Stadtrat erst recht nicht darstellbar wäre, dass ein Dritter Miteigentümer des Geländes würde, und sich mit der Parkhauslösung zufrieden gegeben. Ende November habe RB dann die nochmals geänderten, vermeintlich finalen Bedingungen gestellt bekommen. Zudem habe die Stadt eine Kanzlei beauftragt, den Kaufpreis mit dem Fußballklub zu verhandeln. Seit Mitte Dezember soll die Summe – ein hoher, einstelliger Millionenbetrag – RB vorliegen.
Im Klub sind sie nun vor allem erbost darüber, dass Jung RB nicht darüber informierte, dass ein Verkauf plötzlich nicht mehr zur Debatte steht. Das erfuhr der Verein aus einer Facebook-Mitteilung der Grünen, die Jung ebenso wie die Linke bei der Wahl unterstützten. Katharina Krefft, Fraktionsvorsitzende der Leipziger Grünen, sagte auf MZ-Anfrage, dass ihre Partie eine „Zusage” von Jung zum Mitgliederbeschluss habe, in dem es unter anderem heißt: „Das Grundstück soll im Eigentum der Stadt verbleiben.”
Im Verwaltungsstandpunkt zu einem Antrag der Grünen, dass kein oberirdisches Parkhaus im Waldstraßenviertel gebaut werden solle, teilte Jung mit: „In Verhandlung ist unter anderem ein Erbbaupachtrecht zur dauerhaften Sicherung kommunalen Eigentums. Für den privaten Vorhabenträger ist aus kaufmännischer Sicht eine eigentümerähnliche Stellung zur Umsetzung für die Stadt (Sportmuseum) und den Investor (Infrastruktur zur Stadionbetreibung und zum Sportbetrieb) unabdingbar.” Was mit „eigentümerähnlicher Stellung” gemeint ist, ist unklar.
Mintzlaff hatte vor der Wahl in der Leipziger Volkszeitung gefordert: „Wir erwarten, dass der Oberbürgermeister, die Stadtverwaltung und alle Fraktionen im Stadtrat den eingeschlagenen Weg weiter mit uns beschreiten und einem Verkauf und einer anschließenden Entwicklung des Grundstücks im Rahmen der getroffenen Vereinbarungen auch weiterhin zustimmen können.” Die Entwicklung des Vereins, „der Woche für Woche Zehntausende Menschen der Region berührt”, dürfe nicht auf dem Altar des Wahlkampfes geopfert werden.
Linken-Stadträtin Riekewald: „Entsetzt über die Aussagen von Herrn Mintzlaff”
Linken-Stadträtin Franziska Riekewald betont, dass es im Ältestenrat grundsätzlich „kein Votum und auch keine Abstimmung geben könne, höchstens ein Stimmungsbild”. Entscheidungen allerdings treffe allein der Stadtrat. Sie sei „entsetzt über die Aussagen von Herrn Mintzlaff, da diese suggerieren, dass es ihm egal ist, was der Stadtrat will”. Dass ihm Gegenwind ins Gesicht weht, ist der Klub, dessen Selbstverständnis es ist, alles zu erreichen, was er sich vorgenommen hat, nicht gewohnt. Doch dass nun noch ein Verkauf im Stadtrat beschlossen wird, ist nach der Vorgeschichte kaum vorstellbar.
Vor allem aber gilt es, das gestörte Vertrauensverhältnis zwischen RB und Stadt wieder zu kitten. Aktuell ruht die direkte Kommunikation zwischen Jung und RB. Doch die Zeit drängt. 2021 muss der Bau beginnen, damit das Parkhaus – auch Auflage des europäischen Fußballverbandes Uefa – rechtzeitig zur Europameisterschaft 2024 fertig wird, wo Leipzig vier Spiele ausrichten wird. (RBlive/ukr)