RB Leipzig20 Stunden Trauerzeit nach dem Aus: So zog Liverpool RB Leipzigs „powerhouse” den Stecker
Julian Nagelsmann hielt kurz inne und bat um ein paar Sekunden Bedenkzeit, um sich selbst zu reflektieren. RB Leipzigs Trainer war nach dem 0:2 gegen Liverpool und dem Aus in der Champions League danach gefragt worden, ob er selbst Fehler bei der Ein- und Aufstellung des Teams gemacht habe, wegen denen die Leipziger zu „verkopft” agierten, wie Nagelsmann selbst analysiert hatte.
Doch der 33-Jährige fand auch nach reiflicher Überlegung nichts, was er hätte grundlegend anders machen können. RB wollte ja mutig, aggressiv auftreten, früh in Führung gehen, Liverpool mit spielerischen Mitteln ebenso überrumpeln wie durch gutes Gegenpressing, wie das etwa im Rückspiel gegen Manchester United gelungen war oder vor einem Jahr in den Achtelfinalspielen gegen Tottenham Hotspur. Doch der Matchplan, den Nagelsmann ausgeheckt hatte, war schlicht nicht zu erkennen gewesen, weil Liverpool so gut wie jeden spielerischen Ansatz der Leipziger im Keim erstickte.
RB Leipzig ein Energiefeld ohne Strom
„Die größte Leistung, die wir vollbracht haben ist, dass wir dafür gesorgt haben, dass niemand gesehen hat, wie gut Leipzig eigentlich ist. Wir haben sie aggressiv und in den richtigen Räumen verteidigt”, analysierte Klopp und ergänzte: „Das ist extrem schwierig, deswegen schaffen es ja auch nur so wenige.” Normalerweise sei RB ein „powerhouse”, doch am Mittwochabend war das Energiefeld ohne Strom, weil Liverpool diverse Stecker gezogen hatte. „Sie kriegen nicht oft den Druck, den sie von uns bekommen haben. Das war eine komplexe Aufgabe”, erklärte Klopp.
Nagelsmanns Idee war, „Überzahl im Mittelfeld zu schaffen und durch Dribblings in die Halbräume vor der Abwehrkette zu stoßen, um wiederum Überzahl auf den Flügeln zu schaffen”, führte Leipzigs Trainer aus. „Aber wir waren nicht mutig genug dafür. Wir hatten zu viel Respekt vor Kontersituationen und haben aus diesem Respekt heraus falsch agiert.” Auch eine Kopfsache, wie Nagelsmann erklärte: „Die Erlebnisse aus dem ersten Spiel waren in einigen Köpfen drin.”
Stattdessen spielte Liverpool mit einer Vielzahl an Personal im Mittelfeld, stand Kevin Kampl und Marcel Sabitzer auf den Füßen und unterband Leipzigs Plan. „Unser Spiel im Mittelfeld war zu langsam, wir haben die großen Räume hinter der Abwehrkette nicht gefunden”, kritisierte der Fußballlehrer. Auch Chip-Bälle auf Yussuf Poulsen, die der kantige Däne hätte ablegen können, gelangen kaum. So sei weder Emotionalität entstanden, noch „Punch” vor dem Tor.
Auch weil Team und Staff zu leise waren, am Ende war es gespenstisch still in der Puskas-Arena. Das lautstarke Coaching von der Bank und auf dem Spielfeld, das sich RB unter Nagelsmann zugelegt hat, war nicht zu hören. „Das haben wir nicht gut geschafft, wir sind alles Menschen”, sagte Nagelsmann.
RB Leipzig chancenlos wie selten
Insgesamt war RB Leipzig unter Leipzigs Erfolgstrainer selten so eindeutig unterlegen. Auch nach der 0:5-Rekordniederlage in der Vorrundengruppe gegen Manchester United war RB lange nicht so chancenlos wie in diesem Spiel. Nur durch eine Führung, die Dani Olmo (10.) und Alexander Sörloth (65.) hätten erzielen könne, hätte sich das Spiel drehen können. Doch angesichts der Chancenarmut von nur zwei Schüssen, die auch aufs Tor kamen, wäre ein Treffer glücklich gewesen. Mit zwei Gegentreffern war RB angesichts der sieben Liverpooler Abschlüsse auf den starken Peter Gulacsi hingegen noch gut bedient.
Nagelsmann verordnete seinem Team nun 20 Stunden Trauerzeit. „Jeder ist enttäuscht, dass muss man auch zulassen”, sagte der 33-Jährige. „Wenn man das als Trainer überspielt, ist das eine Rolle oder eine falsche Emotion”, betonte er. Durchhalteparolen für Liga und Pokal seien da fehl am Platz. Das sei bloße „Pseudoenergie”; Körper und Kopf benötigten vielmehr nach Negativerlebnissen und geplatzten Träumen auch Phasen des Ärgers und der Wut, um neue Kraft zu schöpfen. Die brauche es am Sonntag (15.30 Uhr) für die „reizvolle Aufgabe” gegen Eintracht Frankfurt in der Liga.