Verliert RB sein Heimspiel, dann ... Bayerns Meisterfeier in Leipzig: die Geschichte einer Demütigung
Mit einem Sieg kann der FC Bayern München in Leipzig Meister werden. Ausgerechnet im Stadion des Red-Bull-Emporkömmlings RB, der die vergangenen Jahre versucht hat, mit dem Rekordmeister auf Augenhöhe zu gelangen. Mittlerweile trennen beide Teams nicht nur vier Tabellenplätze.

Leipzig – Es war Anfang Juni 2023, da griff sich RB-Profi Kevin Kampl auf dem Vorplatz des Alten Rathauses in Leipzig das Mikrofon und hielt am Tag nach dem zweiten Gewinn des DFB-Pokals eine beachtliche Festrede. „Wir feiern heute nochmal richtig bis zum Gehtnichtmehr“, rief der Mittelfeldmann mit schwerer Zunge nach durchzechter Nacht in die Menge Tausender Fans hinein. „Dann gehen wir in die Sommerpause und wenn wir wiederkommen, versuchen wir diesen verdammten Meistertitel zu holen.“
Meister in Leipzig: welche Ironie
Keine zwei Jahre später ist es so weit. Nur nicht, wie Kampl es sich ausgemalt hat, denn der Meistertitel geht nicht an Leipzig, sondern in Leipzig aller Voraussicht nach an den FC Bayern. Heute (15.30 Uhr) treffen beide Teams aufeinander. Gewinnt der Rekordmeister das Duell, kann er von der Tabellenspitze nicht mehr vertrieben werden. Spielt er unentschieden, müsste Bayer Leverkusen in den verbleibenden zwei Partien um die 30 Tore mehr schießen.
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Dass es ausgerechnet die Bayern sind, die in der RB-Arena ihre zwölfte Meisterschaft in den vergangenen 13 Jahren feiern wird, ist an Ironie kaum zu übertreffen. Auch nicht an Demütigung für den stolzen Red-Bull-Klub, der sich vor zwei Jahren auf dem Niveau wähnte, dem Branchen-Primus das Abo auf den Ligatitel zu kündigen. Mittlerweile glauben nicht mal die hartgesottenen Optimisten im Verein, dass RB den Münchenern die Party „crashen“ könnte, wie es Leipzig-Profi David Raum unter der Woche angekündigt hat.
Das Personal von Interimstrainer Zsolt Löw, der vor einem Jahr noch Co-Trainer der Bayern an der Seite von Thomas Tuchel war, ist aktuell Fünfter. Doch der Tabellenplatz täuscht über die Krise hinweg, in der das Team und der Klub stecken. Alles, was RB in den vergangenen Spielzeiten ausgemacht hat, ist in dieser verflogen. Es gibt keinen Powerfußball mehr, kein Überfall-Pressing, keine Leidenschaft, keinen Mut und schon gar kein Kampelsches Selbstbewusstsein, das es braucht, um Meister zu werden – oder aber mindestens Champions-League-Qualifikant.
Bayern holen Fachpersonal
Die Gründe dafür sind Legion. Vor allem fehlt ein Visionär wie Ralf Rangnick, der die Leitlinien vorgibt, den Klubgeist ernährt und alle auf Trab hält. Dahinter reihen sich als Ursachen ein: wechselnde Führungskräfte in der sportlichen Leitung, Berater und Einflüsterer mit unklarer Qualifikation, Trainer wie etwa Marco Rose, der seinen eigenen Stil entwickeln wollte, und Spieler, die RB-Fußball nicht spielen können – oder wollen.

Zur Gesamtlage beigetragen haben die Bayern natürlich auch. Auf die altbewährte Weise. Sie sorgten mit den Transfers von Konrad Laimer, Marcel Sabitzer und Dayot Upamecano für Substanzverlust im Kader und lockten Fachpersonal an die Säbener Straße. Darunter auch Max Eberl, der seit März 2024 Sportchef bei den Bayern ist.
Eberl ging Ende 2023 im Streit, jetzt kehrt er als Meistermacher zurück. Auch das dürfte Red-Bull-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff viel Spannung ins Rückgrat laden. Der machtvolle RB-Aufsichtsratschef hatte in den vergangenen Jahren immer ein gutes Händchen beim Wechsel von Personal, wenn der Klub sich im Dickicht neuer Ideen und Ansätze verlor.
Klopp soll es richten
Jetzt soll es im Verbund mit Ex-Bayern-Stürmer Mario Gomez Jürgen Klopp von München und Mallorca aus richten, der allerdings gerade im Stil eines deutschen Staatspräsidenten die vielen Fernreisen zu den Red-Bull-Klubs genießt. Den Job vor Ort überlässt er Sportchef Marcel Schäfer und Coach Zsolt Löw.
Der freundliche Ungar hat sich diese Woche im Hotel übrigens noch einmal ein Spiel zwischen RB und den Bayern angeschaut, welches vor neun Jahren als Auftakt in eine Ära der Rivalität auf Augenhöhe gewertet wurde. Die Partie, mit der die Saison auf Platz eins für die Bayern und Rang zwei für RB zu Ende ging, endete damals 4:5. Löw, zu dieser Zeit RB-Co-Trainer unter Ralph Hasenhüttl, bekam gestern leuchtende Augen. „Wir haben die Bayern richtig gejagt“, erinnerte sich der 47-Jährige. Lang ist’s her.