RB LeipzigDominik Kaiser nach elf Tagen Corona-Quarantäne: „Langsam wird es zäher”
Dominik Kaiser von Zweitligist Hannover 96 gehörte zu den ersten Fußballprofis, die unter Quarantäne gestellt wurden. Seit nun elf Tagen darf der langjährige Kapitän von RB Leipzig seine Wohnung nicht verlassen, weil sich zwei seiner Teamkollegen mit dem Coronavirus infiziert hatten. Gemeinsam mit seiner Freundin und seiner sechs Monate alten Tochter Lio lebt er derzeit auf engstem Raum in einer Interimswohnung, weil sich der Umzug aus Kopenhagen durch das Virus verzögerte. Mit der MZ-/RBlive-Autor Ullrich Kroemer sprach der 31-Jährige über Bewegungsdrang, Kinderwagenrunden auf dem Balkon, gesellschaftliches Bewusstsein und Verzicht.
Dominik, zählen Sie schon die Tage in Quarantäne?
Dominik Kaiser: Am Montag wird es der zwölfte Tag in Quarantäne sein. Kerben ritze ich noch nicht in die Wand. Aber wir müssen auf Anweisung des Gesundheitsamtes tagtäglich ein Formular ausfüllen, ob sich Symptome einstellen oder nicht. In den ersten Tagen habe ich viel mit Kollegen und Freunden telefoniert, wie es denen so ergeht, aber so langsam wird es zäher, das durchzustehen.
Auf dem Balkon kann Dominik Kaiser mit dem Kinderwagen gerade so wenden
Wie geht es Ihnen und Ihrer kleinen Familie?
Wir sind zum Glück alle gesund, leben hier in Hannover gerade noch in einer kleinen möblierten Zwei-Zimmer-Wohnung auf vielleicht 60 Quadratmeter. Das Highlight ist für mich der große Balkon. Da gehe ich jeden Tag mit dem Kinderwagen spazieren. Da kann man gerade so wenden. Alles okay, aber natürlich wäre es anders, wenn wir die Zeit in unserer eigenen Wohnung mit mehr Platz und mehr Utensilien verbringen könnten. Wir haben hier keine Bücher und wenig Spiele oder andere Unterhaltung. Durch die Grenzschließungen hat sich leider auch unser Umzug aus Kopenhagen verzögert. Es gibt ja gerade auch wichtigere Transporte als meinen Umzug. Aber wir hoffen natürlich, dass es nächste Woche klappt.
Wie unterstützt Sie der Verein?
Wir haben einen Ansprechpartner eines Lebensmittel-Großhändlers bekommen, der uns mit Lebensmitteln versorgt. Das funktioniert gut. Auch Busfahrer, Zeugwart und Athletiktrainer sind nicht in Quarantäne, die bieten uns stets ihre Hilfe an und stehen zur Verfügung. Das ist alles gut geregelt.
Hannover war die erste Mannschaft der 36 Bundesligisten, die komplett in Quarantäne musste. Wie lief das ab?
Wir haben uns am Mittwoch nach dem 3:0 in Nürnberg noch einmal getroffen, als Timo Hübers positiv getestet wurde. Als dann tags darauf auch Jannes Horn ein positives Ergebnis hatte, war klar, dass alle in Quarantäne gehen mussten. Angst, infiziert zu sein, hatte ich eigentlich nicht. Aber natürlich war die Chance da, dass auch ich positiv bin. Zum Glück betraf es vorerst keinen weiteren Spieler. Ich gehe davon aus, dass wir nach Ablauf der Quarantäne am kommenden Donnerstag alle den Test noch ein zweites Mal zur Kontrolle machen müssen.
Es geht gerade nicht um unseren Trainingsplan und den nächsten Spieltag.
Dominik Kaiser
Ihr Körper ist jeden Tag Höchstleistungen gewohnt. Wie reagieren Sie darauf, derzeit lediglich Heimtraining auf engstem Raum absolvieren zu können?
Bisher komme ich noch ganz gut klar. Meine knapp sechs Monate alte Tochter dreht sich den ganzen Tag durchs Wohnzimmer. Da habe ich mal andere Aufgaben, die auch anstrengend sind (lacht). Aber klar, würde ich saugerne mal raus an die frische Luft gehen, mich richtig bewegen oder am liebsten mit den Jungs kicken. Noch kommen wir Leistungssportler damit klar, sich auch mal zu Hause fitzuhalten. Wie sich das entwickelt, wenn es noch längere Zeit so weitergeht, ist fraglich. Aber wir müssen uns jetzt damit arrangieren. Gerade geht es eben nicht anders.
Sehen sie sich auch in einer Vorbildrolle?
Es ist wichtig, dass wir alle zu Hause bleiben. Nicht nur wir Fußballer, sondern generell hat gerade jeder seinen Teil dazu beizutragen, und die Regeln zu befolgen. Es geht gerade nicht um unseren Trainingsplan und ob der nächste Spieltag stattfindet oder nicht, sondern es ist wichtig, dass das ganze Gesundheitssystem nicht kollabiert und jeder einzelne mithilft, um das Virus so gut wie möglich in Schach zu halten.
Wie viel trainieren Sie täglich?
Pro Einheit ungefähr eine Stunde auf dem Fahrradergometer, dazu eine halbe Stunde Stabilisations- und Gleichgewichtsübungen. Manchmal wechselt sich das auch in Intervallen ab. Wir hatten auch schon zwei Einheiten am Tag.
Mannschaften wachsen in einer solchen Extremsituation noch enger zusammen.
Dominik Kaiser
Wie kommunizieren Sie mit Teamkollegen und Trainer?
Cyber-Training wie Bayern München oder andere Teams haben wir nicht. Aber die WhatsApp-Gruppen laufen heiß. Wir sind nahezu stündlich in Kontakt mit den Kollegen und dem Trainerteam, telefonieren viel. Das funktioniert bisher super. Ich glaube übrigens, dass Mannschaften in einer solchen Extremsituation noch enger zusammenwachsen. Sowas erlebt man ja normalerweise nicht gemeinsam.
Rechnen Sie und Ihre Mitspieler denn mit baldigem Teamtraining?
Da gehen die Meinungen auseinander. Ich kann mir gerade nicht vorstellen, dass wir am Donnerstag aus der Quarantäne entlassen werden und uns dann alle in der Kabine treffen und trainieren. Dafür ist die Lage zu ernst. Ich wünsche mir natürlich, dass so schnell wie möglich Normalität in den Trainingsbetrieb kommt, aber das wird nicht so schnell gehen.
Kaiser: „Wenn wir Profis helfen können, ist es unsere Pflicht das zu tun”
Es wird gerade darüber diskutiert, ob gut verdienende Profifußballer Teile ihrer Gehälter abgeben können, um die Klubs wirtschaftlich zu unterstützen. Was halten Sie davon?
Gerade wir Spieler in der 1. und 2. Liga sind in einer sehr luxuriösen Lage. Wir alle müssen mithelfen, dass nicht nur das Fußballsystem, sondern unser Gesellschafts- und Wirtschaftssystem erhalten bleibt. Wenn wir Profis da mithelfen können – finanziell oder über andere Dinge – ist es unsere Pflicht, das zu tun. Ich werde mich auf alle Fälle damit auseinandersetzen.
Sie stehen mit Hannover aktuell auf dem zwölften Rang. Beruhigend in der langen Zwangspause?
Die zwei Siege zuletzt waren Gold wert. Jetzt auf die Tabelle zu schauen, ist deutlich angenehmer als noch vor drei Spieltagen. Wir haben uns stabilisiert, paar gute Ergebnisse am Stück gesammelt. Es war wichtig, die Punkte vor der fußballfreien Zeit gesammelt zu haben, um das Ganze einen Tick entspannter betrachten zu können, wie es weitergeht, als auf Tabellenplatz 16. (RBlive/ukr)