Forsberg exklusiv im interview „Alter Schwede, ey! Was passiert hier?”
Emil Forsberg kommt nach dem Training in Badelatschen vom Duschen ins kleine Stadion am Cottaweg geschlendert. Für das Gespräch mit MZ/RBlive vor dem Pokalfinale gegen den SC Freiburg sucht er sich den Ort aus, wo sich der Spielmacher von RB Leipzig am wohlsten fühlt: den Rasen. Im Schneidersitz spricht der Routinier mit Ullrich Kroemer und Martin Henkel über große Spiele und große Gefühle.
Emil, wenn Sie sich umschauen, dann sehen Sie eine der modernsten Vereinsanlagen des deutschen Fußballs. Können Sie sich eigentlich noch an die Container erinnern, in denen Sie sich umziehen mussten, als Sie Winter 2015 zu RB kamen?
Emil Forsberg: Ja klar. Ich habe sie genau vor Augen.
Schaudert es Sie dabei?
(lacht) Nein, im Gegenteil. Das sind wunderbare Erinnerungen. Das hatte viel, wie sagt man, …. Bodenständigkeit. Das erste, was ich damals in dem Container gelernt hatte, war das deutsche Wort ‚Achtung!‘.
Wie das?
Die Duschen waren alle miteinander verbunden. Wenn man seine aufdrehte, wurde es bei den anderen kalt. Also ging man rein, rief laut ‚Achtung!‘ – und alle wussten Bescheid.
So viel ist passiert. Und wir sind immer noch da.
Emil Forsberg über die „Klasse von 2015”
Über sieben Jahre später schlägt das einen interessanten Bogen zu ihrem dritten Pokalfinale, in dem die altvorderen Container-Spieler wie Sie den ersten Pokal für den Verein gewinnen können.
Ja, unglaublich, oder? So viel ist passiert. Und wir sind immer noch da. Die Container von damals zeigen sehr schön, welche Entwicklung wir genommen haben. Das freut mich am meisten, gerade wenn ich die Gesichter von uns Älteren sehe, und das schon seit sieben Jahren. Ich denke, das ist auch für die Mannschaft wichtig. Wir können Ruhe reinbringen, so wie in den ersten sechs Monaten in dieser Fahrstuhlsaison. Es kommen immer mal schlechte Zeiten, aber dann geht es auch wieder nach oben.
Was macht dieser Hintergrund aus dem Spiel gegen Freiburg für die Gruppe um Sie, Willi Orban, Lukas Klostermann, Marcel Halstenberg, Yussuf Poulsen und Peter Gulacsi, die schon seit der 2. Liga bei RB sind: eine Art Schicksalsspiel? Die vielleicht letzte große Chance auf einen Titel?
Ja, so ist es ein bisschen. Aber es gibt keinen Druck. So ein Spiel bekommst du ja nicht alle Tage. Ich sage immer, genießen, unbedingt genießen! Keine Angst haben! Die Jungs sind heiß, geiles Wetter, wir haben gut trainiert und wollen jetzt nach Berlin und den Pokal holen.
Emil Forsberg: „Ich bin sehr, sehr stolz auf meine Karriere hier in Leipzig”
Ist ein Titel ein Must-have, um Ihre Zeit in Leipzig zu vergolden, oder wären Sie auch ohne Pokal mit sich im Reinen?
Ich bin sehr, sehr stolz auf meine Karriere hier in Leipzig und das, was wir in sieben Jahren geschaffen haben. Natürlich wäre es etwas Unglaubliches, den ersten Titel nach so vielen Jahren zu gewinnen. Aber auch wenn wir das nicht schaffen sollten, werde ich eines Tages mit viel Stolz auf die Zeit bei RB zurückschauen. Aber klar: Der Pokalsieg jetzt oder irgendwann mal um die Deutsche Meisterschaft mitzuspielen, wären nicht schlecht.
Es ist ihr drittes Pokalendspiel. Zwei Mal war RB gegen die Bayern und gegen Dortmund eher der Underdog. Wie ist das jetzt gegen den Final-Debütanten SC Freiburg?
Das ist immer ein bisschen gefährlich. Jeder sagt, wie sind der Favorit, sollen gewinnen, Freiburg ist Freiburg, wir sind Leipzig, seit fünf, sechs Jahren eine Spitzenmannschaft. Aber schauen Sie sich das Spiel gegen die Rangers an. Wer hätte gedacht, dass wir dort verlieren? Wenn es um nur ein Spiel geht, kann jeder jeden schlagen. Und Freiburg ist eine richtig gute Mannschaft.
Sie saßen gegen die Rangers die gesamte Spielzeit über gefrustet auf der Bank. Was hat das mit Ihnen in Bezug auf das Spiel in Berlin gemacht?
Die Enttäuschung nach dem Glasgow-Spiel war natürlich riesig. Aber das war relativ schnell abgehakt. Das macht die Erfahrung: Einen Tag ist man oben, den anderen unten – und dann geht es wieder aufwärts. Es war nach dem Rangers-Spiel klar, dass wir uns noch für die Champions League qualifizieren wollen, das haben wir geschafft – und jetzt wollen wir den Pokal.
Dann bist du in einer Partie vielleicht schlecht mit dem Ball, aber du fightest bis zum Umfallen.
Forsberg über die Tugenden gegen Freiburg
Wie geht RB mit den großen Spielen wie dem im Olympiastadion um. In der Vergangenheit gab es immer mal den Eindruck, dass der Kader – auch mit den dienstalten Spielern – den Druck nicht so gut verkraftet.
Es ist schwer zu sagen, jedes Spiel ist anders. Was du immer bringen musst: Wille und Leidenschaft. Dann bist du in einer Partie vielleicht schlecht mit dem Ball, aber du fightest bis zum Umfallen. Das muss die Basis sein. Ich denke, wir haben viele gute Spiele gemacht in dieser Saison und eben auch ein paar weniger gute. Aber wenn man sich die Hinrunde anschaut, dann haben wir es im letzten Halbjahr sehr gut gemacht und sind die beste Bundesliga-Rückrundenmannschaft gewesen. Jetzt haben wir noch ein Spiel im Pokal, da müssen wir alles reinhauen.
Sie haben bereits zwei Endspiele erlebt: Eines in einem komplett leeren Stadion – und eines vor voller Hütte. Wie beschreiben Sie den jüngeren Spielern im Kader, was auf sie in Berlin zukommt?
Du spielst das Pokalfinale. Das ist nach der Meisterschaft das Größte, was du im deutschen Fußball spielen kannst. Du musst dich umschauen, die Leute wahrnehmen, die Hälfte davon ist da, um uns gewinnen zu sehen, und dann einfach genießen. Im Fußball geht es um Spaß und Lockerheit. Die Vergangenheit ist Vergangenheit. Wir wollen das Spiel gewinnen!
Sie saßen gegen Dortmund die erste Hälfte, in der die Partie mit 0:3 eigentlich verlorenging, auf der Bank: Wie bewerten Sie Ihre Einsatzchancen?
(lacht) Mal gucken. Alle sind heiß, haben im Training ihr bestes Gesicht gezeigt. Jetzt hat der Trainer die Qual der Wahl.
Was macht die Freiburger so schwer zu bespielen?
Sie verteidigen brutal nach vorn, wenn du den Ball in die rote Zone spielst, gehen sie voll drauf. Freiburg macht es seit Jahren hervorragend. Christian Streich ist ein super Trainer, sie haben die genau die richtigen Spieler für sein System. Sie hauen sich in jedem Spiel rein, geben immer 100 Prozent. Sie spielen lange Bälle, erobern in den Zweikämpfen viele zweite Bälle, haben gute Flankenwechsel und mit Vincenzo Grifo und Roland Sallai auch gute Zocker dabei. Das ist eine geile Mannschaft, wir müssen schon aufpassen.
Die beiden Ligaspiele in dieser Saison endeten 1:1. Stellen Sie sich auf eine Verlängerung ein?
Wir wollen nach 90 Minuten der Sieger sein. Wenn das nicht klappen sollte, dann gehen wir eben in die Verlängerung und zur Not ins Elfmeterschießen. Wir wollen einfach gewinnen – egal wie.
Forsberg: „Ich brauche kein Elfmetertraining”
Haben Sie eigentlich Elfmeterschießen geübt, oder ist das nicht nötig?
Wenn Sie mich fragen: Ich brauche kein Elfmetertraining. Ich weiß ungefähr, wie man vom Punkt schießen muss. Aber vielleicht steht das kurz vor dem Spiel nochmal auf dem Programm.
Mit Ausnahme des 4:0 gegen Augsburg hat RB spielerisch seit Wochen nicht mehr überzeugt. Wo sehen Sie die Gründe?
Die Saison war lang, wir haben am Samstag das 52. Spiel. Es kann sein, dass die Vielzahl der Spiele ein Grund war. Aber wir haben dennoch die meisten Spiele kontrolliert und sind nicht umsonst Rückrundenmeister der Bundesliga geworden.
Einsatz ist immer da, aber es fehlen bisweilen Kreativität und Spritzigkeit.
Wir wollen immer volle Leistung bringen, das ist ja klar. Im Ligaspiel zum Beispiel haben die Freiburger ihr Tor mit zehn Mann mit ihrem Leben verteidigt. Dann ist das nicht so einfach: tiefer Ball, Querpass und Tor. Man muss die Spiele manchmal erleben und auf dem Platz erfahren, was wir ändern müssen. Wir haben aus den Spielen gegen die Rangers, Union Berlin und Bielefeld viel mitgenommen. Da sind wir einen Schritt weiter. Außerdem hatten wir vor dem Pokalspiel viel Zeit im Training, um Taktik und Bewegungsabläufe einzustudieren. Ich denke, dafür sind wir für Samstag sehr gut vorbereitet.
War diese Ihre spannendste Saison mit RB?
Ja, schon. Die ersten sechs Monate waren nicht einfach, und dann hast du das Endspiel in Bielefeld und ich sitze in den letzten Minuten mit Philipp Tschauner auf der Bank. Er hatte sein Handy dabei, wir sehen, dass Freiburg das 1:1 in Leverkusen macht, und du denkst: Alter Schwede, ey! Was passiert hier? Willi Orbans Tor war pure Erlösung.
„Ich hätte gern zwei Titel gehabt”
Haben Sie das Euro-League-Finale angeschaut, in dem Sie hätten dabei sein können?
Ja, kein Problem, ohne Groll. Wir waren gegen die Rangers einfach nicht gut genug.
Ist das jetzt sogar ein Vorteil, dass Sie sich in Ruhe auf den Pokal konzentrieren können? Am Ende ist weniger mehr?
Ich hätte gern zwei Titel gehabt. Aber wie Sie sagen: So hatten wir eine Woche Zeit, um uns ganz auf das Spiel gegen Freiburg zu konzentrieren. Das kann ein Vorteil sein.
Ihr „Titten”-Versprecher (statt Titel) ist legendär. Haben Sie sich für den Fall des Titelgewinns schon was überlegt?
Das soll kein schlechtes Omen sein: Aber falls wir gewinnen, muss ich mir für die Fans was einfallen lassen.
Ein T-Shirt?
Kann sein, vielleicht mit dem Zitat und zwei Pokalen auf der Brust.(lacht)
Es wird einem in dem Moment bewusst, dass du etwas Bedeutendes erreicht hast.
Forsberg über eine mögliche Pokalparty
2013 und 2014 sind Sie mit Malmö schwedischer Meister geworden. Welche Emotionen löst ein Titel aus?
Das sind geile Momente, unglaubliche Gefühle. Das war beim Aufstieg 2016 mit RB ähnlich: Das wird man nie vergessen. Alle sind glücklich, man ist ganz im Augenblick. Du siehst das Glück in den Augen der Fans. Es wird einem in dem Moment bewusst, dass du etwas Bedeutendes erreicht hast. Man spürt pure Liebe, das ist die Belohnung. Das will ich diesen Sonntag wieder erleben.