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RB Leipzig"Etwas Neues ist entstanden": RB Leipzigs Sportchef Krösche spricht über seine Transfers Szoboszlai und Sörloth, den auslaufenden Vertrag von Sabitzer und Fußball in der Pandemie

Von Martin Henkel 28.12.2020, 10:27
RB-Sportdirektor Markus Krösche
RB-Sportdirektor Markus Krösche Imago/Michael Weber

Ein in vielerlei Hinsicht bewegendes Jahr geht zu Ende. Auch für Markus Krösche. Kurz vor dem Jahreswechsel sprach der Sportdirektor von RB Leipzig mit Mitteldeutscher Zeitung und RBlive über seine zwölf Monate am Cottaweg: Seine Erinnerungen an den Lockdown im Frühjahr, welchen Effekt das Champions-League-Turnier hatte, was Alexander Sörloth gerade ausbremst, welche Wünche er seinem Trainer erfüllt und was er sich für das neue Jahr erhofft.

Herr Krösche, die Weihnachtsfeiertage 2020 waren anders als sonst. Wie haben Sie Ihre verbracht?
Ich war ganz normal zu Hause. Wir sind nicht weggefahren, sonst waren wir zu dieser Zeit Skifahren. Und heute geht es ja schon wieder weiter.

In wenigen Tagen geht auch ein besonderes Jahr zu Ende, vor allem geprägt durch das Auftauchen des Corona-Virus vorigen Winter, auf das ein fast zweieinhalb Monate langer Lockdown im Frühjahr folgte. Woran erinnern sie sich besonders?
Für mich prägnant war das erste abgesagte Spiel im März. Bei uns war es das gegen Freiburg. Tage zuvor hatten wir noch vor ausverkauftem Haus die Partie gegen Tottenham gespielt. Das war ein Punkt, da stehst du da und fragst dich: Wie geht es weiter? Plötzlich bekam vieles eine existenzielle Dimension. Ich erinnere besonders, dass wir von Tag zu Tag gelebt haben.

"Du standes im Halbfinale"

Hölderlin schreibt in seiner berühmten Patmos-Hymne: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Gab es positive Aspekte der ersten Pandemie-Welle?
Ich kann einer Pandemie nichts Positives abgewinnen.

Hat Covid-19 Themen für sie aufgebracht, die neu für Sie waren?
Ja, das Thema Freiheit. Meine Generation ist in einer freien Welt aufgewachsen, wo wir im Rahmen der Gesetze tun und lassen können, was wir wollen. Und plötzlich schränkt ein Lockdown dich massiv ein. In dem Moment wurde mir klar, welche Freiheiten wir eigentlich besitzen.

Auf das Ende der Meisterschaft folgte noch das Champions-League-Turnier in Lissabon. Leipzig nahm dran teil und verließ es mit einem Viertelfinalsieg, einer Halbfinalniederlage und dem Gefühl, Großes erreicht zu haben. Wie kam es dazu?
In Lissabon hat sich ein besonderer Teamgeist entwickelt. Er trägt uns in gewisser Weise bis jetzt. Du kommst aus Portugal zurück und standest im Halbfinale der Champions League. Das macht was mit einem.

RB hat es wieder in der K.o.-Runde der Champions League geschafft, ist aktuell Dritter in der Meisterschaft und steht im Achtelfinale des DFB-Pokals. Trotz des Abgangs von Timo Werner, der vergangene Saison ein Drittel aller RB-Treffer erzielt hat. Wie hat der Trainer das hinbekommen?
Ein Vorteil ist, dass Julian Nagelsmann jetzt schon ein Jahr mit dem Team zusammenarbeitet. Durch den Weggang von Timo ist zudem eine Lücke entstanden, die wir als Team gefüllt haben. Wir  sind als Gruppe enger zusammengewachsen. Etwas Neues ist entstanden.

Krösche: Sörloth braucht mehr Zeit

Einer, der die Lücke auch füllen sollte, ist Alexander Sörloth. Der Norweger kommt aber nur schwer in Tritt. Julian Nagelsmann sagte neulich, er habe „die Rübe“ nicht frei. Was meinen Sie?
Das ist ein Mix aus mehreren Gründen. Er muss sich an eine neue Spielidee gewöhnen, hat dafür aber weniger Gelegenheit, weil wir kaum trainieren. Dazu kommt, dass unser Trainer sehr hohe Ansprüche an jeden einzelnen Spieler hat. In diesem Punkt ist Julian schon ein bisschen anders als andere Kollegen. Gleichzeitig ist die Intensität in der Bundesliga höher, als das Alex etwa in der Türkei gewohnt war. Er ist zudem jemand, der sehr viel denkt und die Dinge gut machen will, das bremst ihn zusätzlich.Da kommt also viel in so kurzer Zeit zusammen, das verarbeitet der eine schneller, ein anderer braucht mehr Adaptionszeit.

Wie lange geben Sie ihm?
Wir haben keine Zeitvorgabe. Klar wollen wir alle, dass es sofort funktioniert. Aber man muss auch sagen, wir haben eine starke Konkurrenz im Team. Man hat das bei Dani Olmo gesehen: Er hat ein halbes Jahr gebraucht, um Stammspieler zu werden, Doudou Haidara sogar anderthalb Jahre. Unsere Transfers sind langfristig angelegt, also bekommt jeder seine Zeit, sich bei uns einzugewöhnen.

Wäre eine Leihe sinnvoll?
Nein, das ist kein Thema! Wenn eine gewissen Zeit vergangen ist, sagen wir 18, 24 Monate, und die Dinge noch nicht so funktionieren, kann man sich darüber vielleicht Gedanken machen. Jetzt geht es darum, mit den Jungs zu arbeiten.

Der Trainer hat vor Weihnachten gesagt, dass sein Team momentan am wenigsten ausrechenbar ist, wenn er nur mit offensiven Mittelfeldspielern vorn agiert. Was hat Sie bewogen, einen so wuchtigen Stürmer wie Sörloth zu verpflichten?
Bei Transfers geht es grundsätzlich darum, einem Kader unterschiedlichste Fähigkeiten zuzufügen. Der Trainer kann dann entscheiden, welche Fähigkeiten brauche ich heute, und zwar nur heute, nicht morgen oder übermorgen, um das Spiel zu gewinnen. Meine Aufgabe ist es, dem Kader diese Fähigkeiten hinzuzufügen, und der Trainer entscheidet dann, welche Spieler er wie oft in welcher Kombination auf dem Platz haben möchte.

"Sabi hat sich enorm entwickelt"

Welchen Wunsch haben Sie dem Trainer mit dem Transfer von Dominik Szoboszlai erfüllt? Ist es der Box-to-Box-Spieler, von dem er im Frühjahr gesprochen hat.
Julian würde das heute so vielleicht nicht mehr formulieren, weil wir das Thema intern mit den Spielern lösen konnten und können, die wir bereits haben. Aber klar, Dominik ist ein Spieler, der diese Rolle ausfüllen kann. Er besitzt viele Fähigkeiten, ist mutig, überzeugt von sich, stark bei Standards, schnell und robust. In der Summe macht er uns vor allem aber variabler, und darum geht es bei uns: Unberechenbarkeit.

Klubchef Oliver Mintzlaff hat erzählt, dass die Gespräche nicht einfach waren.
Stimmt. Dominik hatte viele Angebote. Er hätte auch zu sieben, acht anderen Top-Vereinen gehen können. Wir mussten ihm aufzeigen, wie wir ihn einsetzen und weiterentwickeln wollen. Wie ist unser Weg, was sind unsere Ziele und welchen Part soll er dabei spielen. Das ist mittlerweile ganz normal, die Jungs denken in Karriereschritten. Da muss man ihnen ganz klar aufzeigen, wie man ihnen dabei helfen kann. Das haben wir gut hinbekommen.

Hat der Trainer Ihnen signalisiert, dass es auf anderen Positionen noch Handlungsbedarf gibt?
Momentan sehe ich keinen und der Trainer auch nicht. Wir sind extrem zufrieden mit unserem Kader. Sie müssen mal sehen, wir konnten Konrad Laimers Ausfall kompensieren, der vergangene Saison totaler Leistungsträger war. Wir konnten die Verletzung von Lukas Klostermann auffangen, der in der Abwehr eine Bank gewesen ist. Das zeigt, dass wir quantitativ und qualitativ einen sehr ausgewogenen Kader haben mit vielen Spielern, die variabel einsetzbar sind.

Neben Szoboszlai haben sie auch schon Josko Gvardiol von Dinamo Zagreb verpflichtet. Unklar war bislang, ob er schon im Winter kommt oder erst im Sommer. Wie ist da der Stand?
Wahrscheinich wird er bis Sommer in Zagreb bleiben, um in diesem Zeitraum so viel Spielpraxis wie möglich zu bekommen.

Der Fußball ist schnelllebig. Sommer 2022 laufen die Verträge vor allem von RB-Haudegen wie Marcel Sabitzer, Emil Forsberg, Marcel Halstenberg, Willi Orban aus, die bereits im letzten Zweitligajahr da waren. Mit welchem Abgang rechnen Sie?
Wir fangen im Frühjahr an, uns zu unterhalten. Wie Sie gesagt haben, alle sind schon lange bei uns und enorm wertvoll und wichtig für das Team, den Verein und den Trainer. Aber klar, jeder Spieler hat seine eigenen Vorstellungen, wie seine Zukunft aussehen soll. Darüber werden wir uns in Ruhe austauschen.

Einer von Nagelsmanns Schlüsselspielern ist Marcel Sabitzer, mittlerweile Kapitän, sein Spiritus rector auf dem Platz und nach sechs Jahren vielleicht vor dem Sprung zu einem Klub, bei dem die Titelchancen ein wenig größer sind als aktuell bei RB. Welche Signale erhalten Sie vom Österreicher?
Sabi hat in den vergangenen eineinhalb Jahren eine extreme Entwicklung hinter sich. Er macht das herausragend und ist deshalb enorm wichtig für uns. Aber man wird sehen, wie er sich seine Zukunft vorstellt.

Krösche: Keine Begrenzung

Eine weitere Schlüsselpersonalie ist Angeliño. Der Spanier ist von Manchester City nur geliehen, RB soll aber über eine Kaufoption verfügen, die dem Vernehmen nach bei 15 Spielen liegt. Ist das so?
(lacht) Ich kann so viel verraten, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass Angeliño fest zu uns wechseln wird.

Am 2. Januar geht es mit der Partie bei Aufsteiger VfB Stuttgart weiter. Aktuell trennen RB nur zwei Punkte von der Tabellenführung. Wie hoch ist dieses Jahr die Chance, Meister zu werden?
Wir haben erst 13 Meisterschaftspartien gespielt. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das zu früh. Aufgrund der hohen Belastung vieler Klubs oben in der Tabelle kann zudem niemand sagen, wie sich das auf den Verlauf der Saison auswirken wird. Letztes Jahr waren wir zum selben Zeitpunkt weit vor den Bayern, am Ende haben sie es brutal durchgezogen und verdient das Triple gewonnen. Wir tun gut daran, uns komplett auf uns zu konzentrieren. Wir wollen unter die ersten Vier, das ist das Minimalziel. Aber wir begrenzen uns nicht oben.

Was wünschen Sie sich fürs neue Jahr?
Ich hoffe, dass die Corona-Zeit mit dem Beginn der Impfungen absehbar endet. Es ist mein größter Wunsch, dass wir wieder ein Stück weit normal leben können. Mit all den Aufgaben, die das mit sich bringt. Dass es nicht mehr so sein wird wie früher, ist ein Fakt. Das wissen wir alle.

Das Gespräch führte Martin Henkel