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RB LeipzigFehlende Effizienz: Tedesco lernt beim 1:1 in Augsburg die Dauer-Schwäche von RB Leipzig kennen

Von Martin Henkel 16.12.2021, 12:13
Lernte in Augsburg verstehen, was sein Kader eben auch nicht kann: Domenico Tedesco
Lernte in Augsburg verstehen, was sein Kader eben auch nicht kann: Domenico Tedesco imago images/Sven Simon

Ups, und plötzlich stand es 1:1. So beschrieb Emil Forsberg Mittwochabend nach dem 1:1 von RB Leipzig beim FC Augsburg das Ende eines Spiels, in dem die Sachsen bis zur 85. Minute 1:0 geführt hatten, ehe Daniel Caligiuri einen Handelfmeter zum Endstand verwandelte. Ups, plötzlich war der kleine Aufwind, den Neu-Coach Domenico Tedesco mit dem 4:1 gegen Borussia Mönchengladbach entfacht hatte, schon wieder dahin.

Kann ja mal passieren, oder?

Dabei ist es grundsätzlich kein Drama, in Augsburg unentschieden zu spielen. In der Fuggerstadt hat auch der FC Bayern Federn und Punkte gelassen, sogar zwei mehr als RB. "Augsburg ist nicht so schlecht", meinte denn auch Emil Forsberg, der seine Verblüffung über den Ausgleich mit der eingedeutschten Variante des englischen  „Oops” beschrieben hatte. Kann ja mal passieren, sollte das heißen.

Kann, aber es hätte nicht sein müssen, denn RB hatte eine Handvoll hochprozentiger Chancen auf ein zweites oder drittes Tor, was Tedesco bereits nach dem zweiten Spiel an der Spitze des RB-Kaders mit einem seiner zentralen Schwächen bekanntmachte: der fehlenden Effizienz vorm Tor.

Schon Vorgänger Julian Nagelsmann war daran in seinen zwei Jahren bei RB beinahe verzweifelt. Bereits am Ende des ersten stöhnte er nach einem Unentschieden gegen Bielfeld, dem damals vierten am Stück in der Fremde: "Wenn du den Anspruch hast, ganz oben zu sein, dann musst du solche Dinger machen. Wenn nicht, dann ist es ein harter Fight bis zum 34. Spieltag, um in die Champions League zu kommen. Das ist für unsere Ambitionen deutlich zu wenig."

Acht Tormöglichkeiten ergaben sich für die Sachsen in Augsburg. Darunter waren sogenannte "Riesen" wie die für Kevin Kampl (4.), Forsberg (5.), Silva (10., 24.) oder Nordi Mukiele (73.). Forsberg nahm das zum Anlass, um zu urteilen: "Wir haben ein gutes Spiel abgeliefert." Hat halt nur das zweite Tor gefehlt. "Dann ist das Spiel vorbei", meinte der Schwede. Tedesco pflichtete bei: "Mit dem 2:0 hätte sich das Spiel anders entwickelt. Dann hätten wir auch anders verteidigt."

Beides hängt also miteinander zusammen, und es sind tatsächlich diese zwei Zentralaspekte, die RB schon in den vergangenen Spielzeiten Probleme bereiteten, das viele Talent in der Kabine konstant über eine Saison hinweg auf den Platz zu bringen. Besonders eklatant aber ist es in dieser Spielzeit. RB schafft es nur selten, seinen Kasten sauber zu halten und braucht in den meisten Spielen zu viele Chancen für zu wenige Tore.

Augsburg rennt 6,7 km mehr

Ein Indikator dafür ist die sogenannte "weiße Weste", mit der die Zu-Null-Spiele bezeichnet werden. Sie galt in Leipzig mal als heilig, gerade dann, wenn klar war, dass vorn einfach nicht genug Tore fallen. Unter Ralf Rangnick etwa vor drei Spielzeiten waren es 15, in den zwei Jahren unter Nagelsmann ebenso 15 und das Jahr davor zehn Partien gewesen, in denen die Rasenballsportler keinen Gegentreffer kassierten. In dieser Saison sind es drei.

Was dazu in Widerspruch steht, ist das Zweikampfverhalten der Sachsen. Mit 1747 gewonnenen Duellen sind sie Ligaspitze vor Köln und Wolfsburg. Aber die Konstanz über 90 Minuten fehlt, was gut zu erklären ist mit dem in Leipzig berüchtigten Spannungsabfall in den Köpfen der Spieler, an dem so gut wie alle Trainer verzweifelten. Gegen Augsburg etwa zerlegten die Messestädter ihre Gegner eine Halbzeit in alle Einzelteile, nach der Pause wurde aus diesem Engagement Larifari, von Abwehrverhaltten bei den Offensivkräften keine Spur mehr. Am Ende rannte die Augsburger mit 117,8 Kilometern 6,4 Kilometer mehr als ihre Gäste.

Es ist eine alte Weisheit: Spiele gewinnt man nicht im Sturm, sondern in der Abwehr. Das gilt besonders für diesen wankelmütigen RB-Kader, der Manchester City 2:1 besiegen kann, gegen Brügge 5:0 gewinnt, Hertha 6:0 auseinandernimmt, und gleichzeitig gegen eine bessere Mainzer U-19 wie am ersten Spieltag 0:1 verliert.

Die Aussage, man müsse lediglich seine vielen Chancen effizienter nutzen, ist deshalb nur die Hälfte der Wahrheit, wie man endlich Stabilität in die Auftritte bekommt. Aber ein gewichtiger, wenn es mit so neuen Spielern in der Abwehr wie Mohamed Simakan und Josko Gvardiol eben noch nicht hinhaut, mal keinen Gegentreffer zu kassieren.

Hinten wacklig, vorn ineffizient

Dafür aber müssen sich die Werte nach der Winterpause in eine andere Richtung bewegen. RB gehört mit bislang 299 Torchancen zum Spitzenquartett der Liga (Rang vier), ist mit einer Verwertungsquote von zehn Prozent aber noch nicht auf Champions-League-Rang-Niveau (Platz sechs).

Das schlägt sich auch in den Werten wieder, die anzeigen, wie wahrscheinlich ein Treffer im Vergleich zur Qualität der Chance ist. RB liegt in diesem Bereich im Mittel der Saison sechs Treffer unter denen, die wahrscheinlich gewesen wären. In Zahlen sind das zum Beispiel 16 Treffer aus 137 Strafraumschüssen auf gegnerische Tore.

Im Vergleich dazu: Bayer Leverkusen, Spitzenverwerter seiner Chancen in der Liga, hat aus 131 Torschüssen innerhalb des Strafraums 31 Tore erzielt und liegt beim Wahrscheinlichkeitsfaktor (xGoal) für diese Treffer bei zehn über dem Wert, den man hätte annehmen können. Das bedeutet es, effizient zu sein. Bayer ist deshalb nicht ohne Grund gerade Tabellendritter, RB Neunter. (RBlive/hen)