RB LeipzigFestgeldkonto wie Bayern München und die heißblütigsten Fans in Belgien: Was RB Leipzigs Gegner Club Brügge ausmacht
Der belgische Sportjournalist Geert Foutré (Sport/Voetbalmagazine) spricht im RBlive-Interview über die aktuelle Form von RB Leipzigs Champions-League-Gegner Club Brügge, das Finanzmodell und das Erfolgsgeheimnis des Klubs und Ausnahmespieler Charles De Ketelaere.
Geert, Brügge ist gerade nur Dritter in der belgischen Liga und hat seit drei Spielen nicht gewonnen. Ist Brügge in einer kleinen Krise?
Geert Foutré: Naja, in Brügge herrscht eigentlich niemals Krisenstimmung. In Genk etwa fallen schnell harte Worte und es gibt Pfiffe. In Brügge pfeifen die Fans niemals, das sind Verrückte. Ähnlich wie vielleicht in Deutschland beim 1. FC Köln oder bei Borussia Dortmund. Sie stehen 90 Minuten hinter ihrer Mannschaft – egal, ob es gut geht oder weniger gut. Sie pfeifen die ganze Zeit, aber nur gegen den Gegner und den Schieri. Für sie zählt nur Blau und Schwarz. Allerdings gab es jetzt am Wochenende auch in Brügge zum ersten Mal in den sozialen Netzwerken Kritik. Dass sogar die Fans, die eigentlich immer zufrieden sind, nörgeln, ist ungewöhnlich und zeigt viel. Aber gegen Leipzig wird man davon nichts merken, da werden sie der Mannschaft 100 Prozent Unterstützung geben, auch wenn die Spieler gerade nicht bei 100 Prozent sind.
Durch das Play-off-System in der belgischen Liga hat es ja kaum Bedeutung, dass Brügge derzeit sieben Punkte hinter Überraschungs-Spitzenreiter Union St. Gilloise liegt, oder?
Die normale Saison ist für die Mannschaften, die auch europäisch spielen, nicht so wichtig. Das ist für diese Teams eher eine Übungsrunde. Sie müssen nur unter den ersten Vier sein und nicht so viele Punkte verlieren. Aber mit dem Aufsteiger Union hat keiner gerechnet, das sorgt für Nervosität bei den Großen. Brügge hatte vor allem Genk auf dem Zettel, und ein wenig Antwerpen und Anderlecht.
„Europa ist für Brügge das Saisonziel Nummer eins”
Liegt der Saison-Schwerpunkt von Brügge auf der Champions League?
Sie haben am Anfang der Saison gesagt, dass sie etwas in der Champions League zeigen wollen und entweder als Zweiter weiterkommen oder als Dritter in die Europa League einziehen wollen. Europa ist für Brügge das Saisonziel Nummer eins. Das haben sie zunächst auch gut umgesetzt. Das Hinspiel gegen Leipzig war sehr gut, das erste Spiel gegen Paris auch gut. Die Duelle gegen ManCity aber brachten Ernüchterung. Da hat Brügge gemerkt: Träume sind schön, aber die Realität ist eben, dass es Mannschaften gibt, die deutlich besser sind.
Welche Auswirkungen hatte das?
Die Anfangserfolge in Europa haben dazu geführt, dass die Motivation am Wochenende in der Liga gegen Oostende oder Eupen nicht immer da war. Flügelstürmer Noah Lang etwa war in den ersten zwei Monaten super, aber seit er für die niederländische Nationalmannschaft spielt, wirkt er müde und weniger motiviert. Auch einige andere wie Kapitän Ruud Vormer und Hans Vanaken, der vor zwei Jahren ein Angebot von Borussia Dortmund ausschlug, spielen nicht ihre beste Saison.
Identifikations-Achse vom Torwart bis zur Sturmspitze
Was zeichnet Brügges Team aus?
Die Stärke von Brügge ist, dass es einen Nukleus von Spielern gibt, die seit drei, vier Jahren da sind. Wie zum Beispiel Torhüter Simon Mignolet, der von Liverpool zurückgekommen ist, Innenverteidiger Brandon Mechele, der aus der eigenen Jugend kommt, Vanaken, Vormer und das Toptalent Charles De Ketelaere. Er kommt auch aus der Region rund um Brügge. Es gibt vom Torwart bis zur Spitze eine Achse, mit der sich die Fans identifizieren können. Das ist ein Team. Letztes Jahr war die Muttersprache von zehn der elf Stammspieler Niederländisch. Das ist ungewöhnlich für belgische Klubs.
De Ketelaere hat außergewöhnliche Qualitäten und gehört zu den besten Spielern seiner Altersklasse in Europa. Wie gut ist er gerade drauf?
Er ist in guter Form und hat gerade sein Debüt in der Nationalmannschaft gegeben. Lukaku war verletzt, dann hat er seine Chance gekriegt. Sein einziges Problem ist, dass er nicht allzuviele Tore erzielt. Aber wenn er so weitermacht, glauben wir nicht, dass er nächstes Jahr noch in Belgien spielt.
„De Ketelaere hat keine Angst, sich in großen Spielen zu beweisen”
Was zeichnet ihn neben dem Platz aus?
Das ist ein sehr kluger Junge. Sein Vater ist Chirurg, seine Eltern gehören zur belgischen Elite. Er bräuchte den Fußball nicht zum Geldverdienen. Er war dafür vorgesehen, ein höheres Universitätsstudium zu absolvieren. Aber er hat große Lust am Fußball und hätte übrigens auch Tennisprofi werden können. Nun ist er so stark, dass Bas Dos, der im vergangenen Jahr der Toptransfer war, kaum spielt. Jeder erwartet eine große Leistung von ihm gegen Leipzig, weil er keine Angst hat, sich in den großen Spielen zu beweisen.
Welchen Stellenwert hat dieses Spiel gegen RB für Brügge?
Es ist vielleicht das wichtigste Spiel der bisherigen Saison. Leipzig kommt in einem Moment, in dem Brügge nicht mehr in der Verfassung ist wie noch vor einem Monat. Es ist von allem etwas weniger gerade. Aber wir erwarten, dass Brügge in diesem wichtigen Spiel die Motivation aufbringt, die dem Team zum Beispiel bei der jüngsten Niederlage gegen Mechelen fehlte. Dafür kommt es auf die großen Spieler wie Lang und De Keteleare an. Und Brügge zu Hause ist immer schwer. Das Publikum ist ein echter zwölfter Mann. Das war schon immer so: Von den 1970er Jahren an im Europapokal bis heute. Die Anhänger sind heiß, fanatisch und geben der Mannschaft Energie.
Manager Vincent Mannaer ist das Erfolgsgeheimnis von Brügge
Wie gut ist der Club finanziell aufgestellt und was ist das Geschäftsmodell?
Seit vier, fünf Jahren ist Brügge das Bayern München Belgiens. Neben Gent und Genk ist das die einzige Mannschaft, die keine Schulden macht, sondern ein eigenes Vermögen hat, das sie investieren kann. Das Finanzmodell basiert auf zwei Säulen: Als belgischer Serienmeister spielte Brügge konstant in der Champions League. Die 20 bis 30 Millionen an Prämien für die Gruppenphase ist bei einem Gesamtetat von 40 bis 60 Millionen Euro immens wichtig. Anderlecht etwa spielt seit Jahren keine Champions League und schreibt rote Zahlen. Die zweite Säule ist der Spielerverkauf in die Premier League. Aber sie verkaufen keinen Spieler mehr unter Wert, sondern nur noch, wenn sie auch die Summe bekommen, die sie sich vorstellen. Wenn De Ketelaere gehen sollte, dann sicher nicht für 15 Millionen Euro.
Wie schlug Brügge diesen erfolgreichen Weg ein?
Das nahm seinen Anfang im Jahr 2012, als der Klub neu organisiert wurde. Die vorherigen Vorsitzenden wollten nicht mehr investieren. Da gab es eine Versammlung, in der der heutige Eigner und Vorsitzende Bart Verhaeghe – ein flämischer Unternehmer – für 15 Millionen Euro den Klub übernommen hat. Er versprach, in den ersten zehn Jahren kein Geld aus dem Klub herauszunehmen, was er auch gehalten hat. Seitdem musste er kein weiteres Geld in den Klub pumpen. Er war selbst Fußballer in der vierten oder fünften Liga, weiß, was in einer Kabine vor sich geht und wie die Atmosphäre in einem Fußballklub ist. Seine beste Entscheidung war, dass er 2013 den damals noch unter 40 Jahre alten Vincent Mannaer als General Manager von Zulte Waregem weggekauft hat. Das Knowhow von Mannaer, der ein großes Netzwerk hat und sehr intelligent ist, ist das große Erfolgsgeheimnis von Brügge.
Was denken Sie, wie sich das Spiel entwickelt und wie es ausgeht?
Ich glaube nicht, dass Brügge dieses Spiel verliert. Leute wie Noah Lang, die glauben, dass sie schon Stars sind, müssen das an diesem Mittwoch auch zeigen. Es wird schwer, aber ich glaube, dass das ein hart erkämpfter Sieg für Club Brügge wird.
(RBlive/ukr)