Gegen Alle Widerstände Fünf Faktoren für den Pokalcoup
Der sportliche Wert dieses DFB-Pokalsieges ging bei all den Diskussionen über RB Leipzig und das Feiergetümmel fast ein wenig unter. Doch als alles gegen die Leipziger lief, wuchsen sie beim 5:3 gegen den SC Freiburg im Elfmeterschießen über sich hinaus. Diese fünf Faktoren waren aus sportlicher Sicht ausschlaggebend für den ersten Titelgewinn:
Erfahrung: RB Leipzigs Ex-Trainer Ralph Hasenhüttl hatte einst während seiner Zeit bei RB Leipzig ein passendes Motto für die damals jüngste und unerfahrenste Mannschaft der Bundesliga ausgegeben. Der Österreicher sagte während der ersten Bundesliga-Saison: „Wir können gar nicht verlieren. Entweder gewinnen wir das Spiel oder an Erfahrung.” All diese Erfahrungen, vor allem die Niederlagen in den großen Spielen bisher, mündeten nun in diesem Pokalerfolg. Elfmeterschießen ist bekanntlich reine Nervensache – und die hatten die Leipziger komplett im Griff.
Im Jubellärm auf dem Marktplatz sagte Abwehrchef Willi Orban: „Die beiden Finalerfahrungen zuvor haben uns gutgetan – gerade im Elfmeterschießen. Als ich das erste Mal im Finale stand, war ich hypernervös. Das ist ganz normal, menschlich. Wir haben mittags angesprochen, dass es jetzt den Freiburgern so gehen wird. Das Elfmeterschießen war überragend, die Strafstöße sachlich und konzentriert von uns geschossen.” Nach den verlorenen Pokal-Elfmeterkrimis gegen Dynamo Dresden (2016) und Bayern München (2017), als zum Beispiel Orban auch schon dabei war, blieben die Leipziger nun cool am Punkt.
Tedesco: „Extreme Widerstandsfähigkeit in allen Belangen”
Mentalität und Siegeswillen: Immer wieder betonten Spieler, Trainer und Verantwortliche die unbändige Willensleistung nach der Roten Karte gegen Marcel Halstenberg. „Eigentlich ist alles schief gelaufen, aber dann kamen Leidenschaft und Mentalität dazu”, sagte Emil Forsberg. Nach seiner Auswechslung coachten der Schwede und Kevin Kampl leidenschaftlich an der Seitenlinie mit. „Domenico hatte in uns zwei Extra-Co-Trainer an seiner Seite, wir haben auf der Bank Gelb und Rot gesehen, aber wir haben versucht, zu helfen und zu pushen”, sagte Forsberg. „Der Titel bedeutet so viel für uns.”
Trainer Tedesco lobte seine Mannschaft für „extreme Widerstandsfähigkeiten in allen Belangen”. Auch von den strittigen bis falschen Schiedsrichterentscheidungen ließen sich die Leipziger nicht aus dem Konzept bringen. Man sagt, große Finalspiele zwischen ausgeglichenen Teams gewinnt meist jene Mannschaft, die es mehr will. Natürlich marschierten auch die Freiburger bis an die Schmerzgrenze, doch durch die Historie der beiden verlorenen Finalpartien war RB bereit, über diese hinaus zu gehen und dennoch konzentriert zu bleiben.
„Vulkan” Tedesco coachte leidenschaftlich und cool zugleich
Initialmoment: RB Leipzig braucht aktuell einen Moment im Spiel, der die Gehemmtheit löst. Beim 4:0 gegen Augsburg war das die unberechtigte Gelbe Karte gegen Forsberg, der die Mannschaft und die Fans weckte. Im Pokalfinale war es der Platzverweis gegen Halstenberg, der den Spielern verdeutlichte, dass sie jetzt all in gehen müssen, um nicht zum dritten Mal als Verlierer vom Platz zu gehen. Dann bäumt sich die Mannschaft auf und wehrt sich mit allem, was sie hat.
Vorbereitung & Coaching: Tedesco hatte sein Team auf alle Eventualitäten vorbereitet. So hatte er auch das Szenario entworfen, was passiert, wenn ein Spieler in dieser hitzigen Partie Rot sieht. Das kam dem Team dann zugute, als Halstenberg tatsächlich vorzeitig vom Feld musste. RB opferte Forsberg, füllte die Fünferkette mit Mukiele auf und spielte kurz darauf durch die Auswechslung von Kampl gegen Dani Olmo nur noch mit einem Sechser. Der Plan ging auf, Leipzig presste die nervöser werdenden Freiburger nun besser als zu elft. „Wir haben uns jeder noch einmal ein bisschen mehr reingeworfen”, sagte Lukas Klostermann. Keeper Peter Gulacsi zollte seinen Vorderleute Respekt dafür, wie sie „die Räume geschlossen und die Konter angezogen” haben. Zudem brachte Tedesco von der Seitenlinie unglaubliche Leidenschaft aufs Feld, blieb aber dennoch cool und traf die richtigen taktischen und personellen Entscheidungen.
Kaderqualität: Mit Mukiele, Dominik Szoboszlai, Olmo, Tyler Adams und Josko Gvardiol brachte Tedesco fünf Spieler in die Partie, die allesamt sofort präsent und im Spiel waren. Das ist das Produkt der gesamten Rückrunde, in der Tedesco nahezu alle Spieler mitnahm und ihnen Vertrauen und Matchpraxis schenkte. „Was da nachgelegt werden kann bei Leipzig – das ist Wahnsinn”, sagte SC-Trainer Christian Streich anerkennend. Und Tedesco lobte: „Diese Mannschaft hat nicht nur gute Spieler, sie ist auch intakt, sie funktioniert!”