RB LeipzigMintzlaff erwartet Transferwert-Verlust um 30 Prozent: „Krise macht auch vor Red-Bull-Konzern nicht halt”
Geschäftsführer Oliver Mintzlaff von Fußball-Bundesligist RB Leipzig erwartet durch die Corona-Krise enorme Ablöserückgänge auf dem Transfermarkt. „Ein Spieler, der heute 20 Millionen kostet, galt ja bisher – so absurd das klingen mag – in gewissen Sphären praktisch als ablösefrei. Und zu dieser Kategorie zählt jeder Spieler, der Schnelligkeit mitbringt und technisch ein bisschen was drauf hat”, sagte Mintzlaff der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. „In diesem Bereich werden die Ablösesummen deutlich sinken. Wir rechnen mit einem Abschlag von rund 30 Prozent.” Als Grundlage für diese Annahme nennt der 44-Jährige Spekulation gepaart mit Marktgefühl.
Mintzlaff nimmt Top-Spieler ausdrücklich aus dieser Kalkulation heraus. Bei Ausnahmetalenten wie Kai Havertz werde sich der Markt möglicherweise bald erholen. Wichtig sei, dass die Vertragslaufzeit über 2022 hinaus gehe. Als bedeutenden Faktor für die Preise sieht Mintzlaff die englischen Klubs. „Da geht es um 1,1 Milliarden Euro. Wenn in England die Saison abgebrochen werden würde, dann würde das auf den Transfermarkt noch dramatischere Auswirkungen haben, als wir das jetzt schon vermuten”, sagte der Ex-Leichtathlet.
Mintzlaff: „Gehen bei RB Leipzig von einem Minus von 25 Prozent aus”
Für RB Leipzig rechnet Mintzlaff im positivsten Fall mit etwa 20 Millionen Euro weniger Einnahmen. Wenn der Klub die Champions League zu Ende spielen kann, „gehen wir von einem Minus zu unserer ursprünglichen Planung im Jahr 2020 von etwa 25 Prozent aus”, sagte der Klubboss.
„Wir sind ein Klub, der gelernt hat, sehr gut einzukaufen. Wir müssen irgendwann auch lernen, sehr gut zu verkaufen. Das war ein Ziel für den Beginn der Saison 2020/21”, sagte Mintzlaff. „Transfereinnahmen können eine ähnlich wichtige Einnahmequelle sein wie die TV-Einnahmen, vor allem, wenn man sich wie wir als Topklub etablieren will. Diese Planungen müssen wir jetzt nach hinten schieben.”
In der aktuellen Situation habe Mintzlaff engen Austausch mit Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz, der mit seinem Unternehmen 99 Prozent der Anteile der RB Leipzig GmbH hält. „Die Krise macht auch vor dem Red-Bull-Konzern sicherlich nicht halt. Aber Herr Mateschitz möchte für seine Unternehmen keine Staatshilfen und kein Kurzarbeitergeld beantragen”, sagte Mintzlaff. „Wir diskutieren über die Auswirkungen der politischen Entscheidungen. Alles andere bleiben Gespräche zwischen Herrn Mateschitz und mir.”
Unverständnis für kritische Politiker und Funktionäre
Unverständnis zeigte Mintzlaff für Bundesliga-Funktionäre, die Geisterspiele ablehnen, und kritische Politiker. Er müsse sich an den Kopf fassen, wenn sich Vereinsbosse hinstellten und sagten, ein Wiederbeginn sei nicht gut. „Das sind solche Fehleinschätzungen, dass es entweder an Management-Qualität fehlt - oder man nur seinen Fans gefallen will”, sagte Mintzlaff. Jetzt sei aber der falsche Zeitpunkt, um Sympathiepunkte zu sammeln.
„Ich war tatsächlich überrascht, auf wie viel Widerstand der Fußball trifft, weil er die Saison zu Ende spielen will, um zu überleben”, so der gebürtige Bonner. „Ich bin aber noch mehr überrascht, wenn zum Beispiel Politikerinnen Vergleiche ziehen, dass Kinder nicht einmal auf dem Spielplatz schaukeln dürfen, aber der Profifußball wieder beginnen soll. Von Menschen, die sich tagtäglich mit wirtschaftlichen Zusammenhängen und deren Auswirkungen auseinandersetzen, erwarte ich gewisse Differenzierungen.” Dass jeder Wirtschaftszweig so schnell wie möglich zur Normalität zurückkehren wolle, sei selbstverständlich. „Alles andere wäre fatal – und fahrlässig.”