„Fürchterliche erste Halbzeit” Wie Tedesco seinen zittrigen Spielern in der Pause die Nervosität nahm
0:1 lag RB Leipzig im DFB-Pokal-Halbfinale gegen groß aufspielende Berliner zurück. Doch eine Matchplan-Korrektur in der Kabine löste eine für den Leipziger Trainer überraschende Blockade.
An Dramatik war das Pokalhalbfinale zwischen RB Leipzig und Union Berlin nicht zu überbieten. Das 1:0 für die Köpenicker nach einem Lehrbuchkonter durch Geraldo Becker (25.), der Ausgleich nach der Pause durch einen Strafstoß (André Silva, 61.) - und natürlich der Nachspielzeit-Kopfstoß von Emil Forsberg zum dritten Pokal-Halbfinalsieg in vier Jahren (90.+2). Bestes Fußballtheater!
Brodelnde Arena
Möglich machte es nicht nur ein exzellenter Auftritt des Tabellensechsten aus der Wuhlheide, der den favorisierten Sachsen das Leben schwer und beinahe den Garaus gemacht hätte. Es war auch der Vortrag der Leipziger vor der Pause, der dazu beitrug. Ein "extrem nervöser" (Domenico Tedesco) der Hausherren vor der Rekordkulisse von 47.069 Fans in der brodelnden Arena, in der sich Fans auf beiden Seiten eine ebenso heftiges Duell lieferten wie unten auf dem Rasen.
Die Unioner waren lange Zeit in allen Belangen besser in der Partie. Standen kompakt, waren bissig, liefen wie die Hasen, machten sämtliche Räume zu, traten den Sachsen auf die Füße und schalteten im Blitztempo um. Mit „fürchterlich” bewertete RB-Coach Tedesco die ersten 45 Minuten seines Teams. „Fürchterlich, weil wir extrem nervös waren.”
Zu seiner Verwunderung, wie der 36-Jährige später preisgab. „Ich muss zugeben, dass ich damit nicht gerechnet hatte. Auch weil wir gemeinsam das ein oder andere Spiel bestritten haben, wo es auch um die Wurscht ging: Sociedad oder Bergamo beispielsweise.” Die Folge: „Wir hatten extrem viele Ballverluste. Es war klar, dass das ein schweres Spiel wird. Und wenn Union 1:0 vorn liegt, wird es noch schwieriger.”
„Wir müssen es einfacher spielen”
Doch der Coach hatte eine Halbzeit lang die Gelegenheit, etwas zu verändern. Er tat es, zeigte zwei Videoclips - und schmiss seinen Plan über den Haufen. Zudem gab er seinem Aushilfssechser Dani Olmo neue Instruktionen. „Wir haben uns eins, zwei Szenen angeschaut, was wir im Spielaufbau fabriziert hatten”, berichtete Tedesco von den vielleicht entscheidenden 15 Minuten in der Kabine. „Es waren nur Nuancen, die gefehlt haben.”
Um diese Nuancen zu aktivieren, entsorgte er Details seines Matchplans: „Wir hatten vor, die linke Seite mit Dani Olmo zu überladen. Das haben wir dann über den Haufen geworfen, weil ich das Gefühl hatte, dass die Mannschaft ein bisschen verkopft war und vielleicht zu sehr an den Plan gedacht hat. Das hilft bei Nervosität aber nicht. Deshalb war klar, dass wir es einfacher spielen müssen.”
Einfacher bedeutete: Olmo weiter nach vorn auf die halblinke Acht zu ziehen, und besser in den eigenen Flow zu kommen, um ein Gefühl für die eigenen Qualitäten zu gewinnen. Kurzum: das RB der vergangenen Wochen zu sein. Immerhin zu diesem Zeitpunkt in 14 Partien ungeschlagen.
"Wir haben versucht, das über schnelle Verlagerungen hinzukriegen", so Tedesco. Als Beispiel verwies er auf das 2:1. Der eine Außenverteidiger schoss aufs lange Eck, Angeliño. Der andere Außenverteidiger, Benjamin Henrichs, nahm den abgewehrten Ball auf und flankt Forsberg auf die eiskalte Schwedenstirn. Der entscheidende Pass zum späten Sieg.
Das Spiel auf den Kopf gestellt, auf nach Berlin zum dritten Finale in vier Jahre. „Dass wir es noch gedreht haben", so Tedesco, „macht uns umso glücklicher.”