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  5. RB-Profi Christoph Baumgartner öffnet sich: „Eine Frage von Vertrauen”

Christoph Baumgartner exklusiv „Lockerheit kann man nicht im Supermarkt kaufen”

So offen, ehrlich und reflektiert wie sonst kaum ein Fußballprofi spricht RB Leipzigs Offensivallrounder im Interview bei RBlive über seine Suche nach mehr Freiheit und Kreativität auf dem Platz. Auch er selbst versucht zu ergründen, warum es aktuell zwei Versionen seiner selbst gibt.

Von Ullrich Kroemer Aktualisiert: 19.04.2025, 08:58
„Es läuft immer auf den Vergleich hinaus zwischen ,Baumi’ als Nationalspieler und ,Baumi’ als RB-Spieler”: Christoph Baumgartner.
„Es läuft immer auf den Vergleich hinaus zwischen ,Baumi’ als Nationalspieler und ,Baumi’ als RB-Spieler”: Christoph Baumgartner. (Foto: imago/motivio)

Leipzig – Auf die Minute pünktlich kommt Christoph Baumgartner zum vereinbarten Gespräch in der Akademie von RB Leipzig am Cottaweg. Der 25-Jährige ist nicht nur pünktlich, sondern gibt immer alles für die Mannschaft, ist loyal, offen und intelligent. Ein Musterprofi im besten Sinne. Vor dem Spiel gegen Holstein Kiel (Sa., 15.30 Uhr, live in Stream und TV) hat RBlive-Reporter Ulli Kroemer mit dem Österreicher über den Trainerwechsel, die Gründe für den Aufschwung bei RB, zwei verschiedene Versionen von „Baumi” und die Suche nach mehr Freiheit und Lockerheit auf dem Platz gesprochen.

Herr Baumgartner, kribbelt es Ihnen vor dem Spiel gegen Holstein Kiel schon besonders in den Füßen? Sie dürfen erstmals unter Interimstrainer Zsolt Löw beginnen und den gelbgesperrten Xavi Simons vertreten.
Christoph Baumgartner: Es kribbelt kurz vor dem Spiel immer, weil Bundesliga einfach etwas Besonderes ist und wir nicht mehr so viele Spiele in dieser Saison haben. Und natürlich würde ich mich freuen, wenn ich beginnen dürfte.

Sie sind ein sehr flexibler Spieler. Was erwartet Zsolt Löw von Ihnen und auf welcher Position sieht er Sie?
In den letzten Spielen unter Marco Rose wurde ich sehr variabel eingesetzt. Gegen Dortmund habe ich eine sehr gute erste Hälfte auf der Sechs gespielt. Ich bin immer äußerst kritisch mit mir selbst, aber mit meiner Leistung und dieser Spielhälfte war ich wirklich zufrieden. In Gladbach hatte ich dann eine ganz andere Rolle als zweiter Stürmer, der immer wieder abkippt – grundsätzlich meine absolute Lieblingsrolle, so ein bisschen wie in der österreichischen Nationalmannschaft. Ich glaube, auch in dem Spiel hatte ich gute Momente, habe aber leider meine Torchancen nicht nutzen können. Es sind schon viele Positionen, die für mich infrage kommen. Natürlich auch die klassischen Zehnerpositionen in unserem aktuellen System mit zwei „Flügelzehnern“.

Und auf denen sieht Sie Zsolt Löw?
Genau, und auch auf der Sechser-Position. Ich glaube, er sieht mich etwas weniger als zweite Spitze, aber am Ende liegt es immer auch am Personal. Als variabler Spieler ist es das Los, zu schauen, auf welcher Position ich gerade benötigt werde. Grundsätzlich ist das für mich völlig okay, ich mag es, auf verschiedenen Positionen zu spielen, weil das auch für den Kopf spannend ist. Aber klar, am liebsten spielst du trotzdem auf einer Position, am besten jedes Spiel 90 Minuten, um den Rhythmus zu kriegen. Doch das ist nicht so einfach, denn wir haben zum Glück viele gute Spieler.

Waren Sie selbst ein bisschen überrascht, dass Löw auf einmal Ridle Baku auf der rechten Zehnerposition bevorzugt hat?
Klar, hätte ich gerne gespielt. Aber Ridle hat es richtig gut gemacht in den drei Spielen. Ich wusste, dass er die Position auch bekleiden kann, er bringt sehr viel mit, ist extrem dynamisch. Ich hätte mir aber auch vorstellen können, dass Ridle hinter mir spielt und ich auf der Zehn davor. Aber auch Kosta Nedeljkovic macht es dahinter gut. Der Trainer hat sich so entschieden, und das hat sehr gut funktioniert. Ich nehme die Situation an, versuche Gas zu geben. Ich weiß aus persönlichen Gesprächen, dass Zsolt viel von mir hält – er weiß meine Arbeitsmoral und wie ich zur Mannschaft stehe sehr zu schätzen. Das ist für mich selbstverständlich, aber es freut mich natürlich, wenn ein Trainer das nochmal explizit hervorhebt und das auch wertschätzt.

Baumgartner über Rose: „Kein Spieler wird ein schlechtes Wort über ihn verlieren”

Klingt absolut mannschaftsdienlich.
Über allem steht – speziell in der Phase, in der wir uns befinden –, dass persönliche Interessen hintenan gestellt werden und es einzig und allein darum geht, dass wir die Champions League erreichen. Das ist ein großes und wichtiges Thema. Dabei ist es wichtig, dass alle an einem Strang ziehen. Es geht darum, Spiele zu gewinnen und für die Mannschaft da zu sein. Dann haben am Ende des Tages alle mehr davon, egal, wer auf dem Feld steht.

Wie haben Sie den Trainerwechsel wahrgenommen? Die Verbindung zwischen Marco Rose und der Mannschaft war sehr eng …
Fakt ist, dass Marco Rose nicht nur ein toller Trainer ist, sondern auch ein unfassbar toller Mensch, den jeder hier wertschätzt. Ich glaube, nach wie vor wird sich kein Spieler finden, der ein schlechtes Wort über ihn verliert.

Haben Sie noch Kontakt?
Wir haben uns kurz geschrieben. Ich habe mich nochmal bei ihm für die gemeinsame Zeit bedankt, weil er einfach ein besonderer Typ ist. Klar, das war nicht einfach für uns, weil wir alle ein Stück weit dran schuld waren, dass er gehen musste. Da fühlt sich jeder einzelne auch mitverantwortlich. Aber wir sind Profis und haben den Switch als Mannschaft relativ gut hinbekommen. Das Gute ist, dass wir uns um Marco keine Sorgen machen müssen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass er wieder einen coolen Verein finden wird.

Lesen Sie hier: Irres Gerücht – Rose als Trainer zur Klub-WM?

Trotz der vorher engen Verbindung zu Marco Rose hat die Mannschaft nach dem Trainerwechsel ein anderes Gesicht gezeigt. Wie erklären Sie sich das?
Das betrifft nicht nur uns, sondern alle Mannschaften: Wenn so ein Trainerwechsel geschieht, passiert einfach in den Köpfen etwas. Ich stelle mir selbst auch die Frage: Warum ist das so? Warum haben wir das zuvor nicht hinkriegt?

„In der Mannschaft entsteht neue Energie”

Und?
Alle haben Marco geschätzt, alle haben für ihn gekämpft, jeder wollte. Aber man hat dann trotzdem das Gefühl, wenn so ein Trainerwechsel stattfindet, dass in der Mannschaft noch mal was passiert, eine neue Energie entsteht. Entscheidend ist auch, dass Zsolt einfach einen unfassbar guten Job macht – meinen größten Respekt, weil es nicht einfach ist, in so einer Situation reinzukommen.

Wie genau wirkt sich das aus?
Er hat ein super Gespür für die Mannschaft, weiß ganz genau, wo er die Mannschaft stärken muss. Das war speziell in den ersten Tagen gefragt, er hat einfach versucht, uns dieses Selbstvertrauen wiederzugeben, das uns ein bisschen gefehlt hat. Er hat uns bestärkt, uns gute Szenen gezeigt. Trotz allem legt er nach den zwei gewonnenen Spielen auch den Finger in die Wunde und zeigt Dinge auf, die wir besser machen müssen. Echt beeindruckend, wie er das handhabt – speziell, weil er das erste Mal als Cheftrainer arbeitet.

Löw hat auch ein paar grundlegende Dinge geändert und geschärft: Grundordnung, Höhe der Pressinglinie und Aktivität im Pressingnetz?
Wir sind wieder besser im ganz hohen Pressing geworden, haben endlich den Schalter im Kopf gefunden. Dass man jeden ersten Sprint voll durchziehen muss, dass ein hohes Pressing nicht funktioniert, wenn man nur mit 95 Prozent anläuft. Das machen wir aktuell wirklich gut, kommen dadurch in gute Balleroberungen und auch ins Gegenpressing. Oft sind es die Offensiven, die das Ganze einleiten, und dann aber auch diejenigen, die die Tore schießen müssen. Zudem sind wir aktuell auch im Ballbesitz ruhiger und sauberer.

Löw stärkt aktiv die Verbindung auf dem Spielfeld zwischen den einzelnen Spielern und Mannschaftsteilen, damit das Team wieder mehr als organisches System funktioniert.
Generell sind wir abhängig von der Aktivität. Wenn wir aktiv sind, sind wir gut. Wenn wir nicht aktiv sind, sind wir schlechter, verlieren Bälle. Stupide in der Position zu verharren, ist im heutigen Fußball schwierig. Du musst extrem aktiv sein, musst rauskommen aus dem Deckungsschatten, musst Bälle haben wollen. Das trainieren wir viel, und das hilft natürlich, weil der Gegner dann müde wird, du dann im Gegenpressing einfacher die Bälle gewinnst.

„Es ist mein Ziel, noch viel prägender zu werden”

Wie bewerten Sie Ihre persönliche Saison bisher? Sie haben zwar mehr Spielzeit bekommen, aber mit zwei Toren und einer Vorlage in der Bundesliga statistisch weniger auf der Habenseite stehen als im Vorjahr.
Auch wenn man es an den Statistiken nicht so sieht, war meine zweite Saison bei RB trotz allem stärker als die erste. Vor allem in Bezug auf die Wertigkeit für die Mannschaft. Aber wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, habe ich mir schon nochmal etwas anderes vorgenommen. Ich glaube, dass meine persönliche Saison ein Spiegelbild unserer ganzen Saison als Mannschaft ist. Es gab gute Phasen, speziell ins neue Jahr bin ich richtig gut gestartet. Aber natürlich ist es mein Ziel, noch viel prägender zu werden. Da geht definitiv noch mehr.

Wie kann das gelingen?
Es liegt an mir. Ich muss mein Potenzial besser und konstanter auf den Platz kriegen. Ich muss die Chancen nutzen, die ich habe, um ein Spieler zu sein, auf den der Trainer nicht gern verzichtet. Da muss ich einfach hinkommen – auf welcher Position auch immer. Wenn ich für einen Trainer unverzichtbar bin, dann wird es eine Position für mich geben. Ich muss und möchte definitiv im nächsten Jahr die nächsten Schritte machen.

Ihre Frau Sandy macht gerade ihren Masterabschluss in Psychologie. Haben Sie in Gesprächen mit ihr mal versucht zu ergründen, wie man die paar Prozent Freiheit, Lockerheit, Kreativität herauskitzeln kann, die Ihnen bei allem Einsatz auf dem Platz oft fehlen?
Ich gebe Ihnen zu 100 Prozent Recht, genauso sehe ich das auch. Mit meiner Frau rede ich viel über Fußball und unser Spiel, aber nicht in den Rollen als Mentaltrainerin und Spieler. Letztlich läuft es immer auf den Vergleich hinaus zwischen „Baumi” als Nationalspieler und „Baumi” als RB-Spieler. Da gibt es definitiv eine Differenz, aber es ist schwer zu greifen, woran das genau liegt.

„Es ist eine Frage von Vertrauen”

Was glauben Sie?
Am Ende ist es eine Frage von Vertrauen. Vertrauen in erster Linie von mir an mich selbst, an meine Qualität, an meine Stärken. Natürlich auch Vertrauen von der Mannschaft, vom Trainerteam, vom Klub mir gegenüber. Aber das ist etwas, was du dir über Leistung erarbeitest. Das war in der Nationalmannschaft auch nicht von Anfang an da. Aber natürlich merke ich da einen Unterschied zwischen den Spielen in der Nationalmannschaft und RB. Aber nochmal: Da hat keiner Schuld, sondern das bin ich selbst. Es gilt einfach, mir das zu erarbeiten und auch Freiheit zu spüren, Spaß zu haben, um das Ganze noch mehr genießen zu können. Mir macht es hier in Leipzig extrem viel Spaß, aber natürlich fehlt noch diese letzte Lockerheit. Doch die kann man sich leider nicht im Supermarkt kaufen, sonst hätte ich schon viel Geld dafür investiert (lacht). Aber ich bin ein positiver Typ, werde dranbleiben, und dann kommt das.

Lesen Sie hier: Weltrekord – Baumgartner erzielt schnellstes Länderspieltor

Sie sind ein hochintelligenter Typ, haben von der sechsten zur achten Klasse sogar einen Schuljahrgang übersprungen. Kann man für dieses Fußballgeschäft auch zu intelligent sein?
(lacht) Guter Punkt. Ich habe tatsächlich auch schonmal zu meiner Frau gesagt: Manchmal wünschte ich mir, ich würde mir einfach weniger Gedanken machen, sondern einfach nur Fußball spielen und auf das vertrauen, was ich kann. Das mache ich natürlich, aber sich in schwierigen Phasen keinen Kopf zu machen, einfach weiter drauflos zu kicken, auch wenn ich fünf Bälle verloren habe, den sechsten wieder zu nehmen und was zu probieren – das fällt mir nicht immer so leicht. Ich bin natürlich froh, dass ich bissl was im Kopf habe, dass ich Sachen reflektieren und verstehen kann. Das schadet auch auf dem Platz nicht. Aber gerade in Phasen, in denen es darum geht, Leichtigkeit zu gewinnen, könnten vielleicht andere im Vorteil sein.

Wie verbringen Sie den Sommer ohne Turnierverpflichtungen?
So viel Zeit bleibt gar nicht, wir reisen mit RB nach Brasilien, Spiele mit der Nationalmannschaft stehen an, und nicht zuletzt unsere Hochzeitsfeier. Wir haben standesamtlich geheiratet, aber die Feier findet im Sommer auf Mallorca statt.

Wie entspannen Sie?
Ich bin seit einiger Zeit Golfer, das hilft mir wirklich sehr – gerade in schwierigen Phasen – weil du dabei komplett den Kopf abschaltest. Das macht mir unfassbar viel Spaß, ich bin sehr gern in der Natur, das lässt sich auf dem Golfplatz gut verbinden. Ich nehme auch mal unseren Hund mit – das gibt mir wirklich viel.