RB LeipzigVier Corona-Infizierte bei Tottenham-Spiel: Hat RB Leipzig das Risiko einer Ansteckungwelle heruntergespielt?
Hat RB Leipzig das Risiko einer Massenansteckung heruntergespielt, als der Klub das Champions-League-Rückspiel gegen Tottenham Hotspur vor Fans austragen ließ? Diese Frage warf am Samstag ein Beitrag in der ARD-Sendung Brisant auf. Ihm folgt ein weiterer Beitrag zum Thema bei "Sport im Osten" am Sonntag (MDR, 16.30 Uhr).
Angesteckt in Ischgl
Eine Antwort liefert der Leipziger Virologe Professor Dr. Uwe Gerd Liebert. Der Leiter des Instituts für Virologie der Universität Leipzig sagt in dem Beitrag, er habe vor dem Spiel mit dem "Director Operations" bei RB Leipzig, Ulrich Wolter, gesprochen "und darauf hingewiesen, dass wenn nur ein Infizierter im Stadion mit 40.000 Personen sitzt, dass dann ein hohes Risiko besteht, dass diese eine Person andere ansteckt."
Wie mittlerweile bekannt ist, waren mindestens drei Unternehmer, die das Spiel besuchten, infiziert. Sie hatten sich am Wochenende vor der Partie im Corona-Hotspot Ischgl mit dem Virus angesteckt. Zudem saß im Fanbereich eine weiterer Mann, der später positiv auf das Virus getestet wurde. Das war dem Verein freilich zu diesem Zeitpunkt unbekannt, die Symptome der Erkrankung zeigen sich in der Regel erst zehn bis 14 Tage nach der Ansteckung.
RB beruft sich auf die Stadt
Trotzdem hatte die stellvertrende Chefin des Gesundheitsamtes Leipzig, Ingrid Möller, bereits am Wochenende zuvor auf einer Podiusmdiskussion der LVZ noch Bedenken geäußert, die Partie statfinden zu lassen. Dem folgte am Tag vor der Partie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit der Empfehlung, "Veranstaltungen mit mehr als 1000 Personen abzusagen".
Dennoch entschieden Stadt und Verein, die Arena für Fans zu öffnen. "Das Robert-Koch-Institut ist nach wie vor der Auffassung, dass es einen Unterschied macht, ob eine Veranstaltung in einer Halle oder draußen stattfindet", sagte dazu Stadtsprecher Matthias Hasberg. "Und das Spiel ist draußen." Darauf beruft sich RB, gleichwohl der Verein selbst hätte entscheiden können, das Spiel ohne Zuschauer auszutragen.
Der Argumentation, die Partie hätte nicht wie die eine Woche zuvor abgesagte Leipziger Buchmesse indoor stattgefunden, widersprechen die Gegebenheiten in der Arena. Zwischen den Ebenen 5 und 9 unterhält RB diverse geschlossene VIP-Räume für über 1500 Gäste, unter denen sich auch die drei Infizierten befunden haben sollen. Die Veranstaltung fand also nicht ausschließlich "draußen" statt. Liebert hielt schon zum Zeitpunkt des Spiels die Argumentation für Augenwischerei. "Ich habe immer gesagt, dass man mit dem Schlimmsten rechnen muss. Und das Schlimmste ist der Super-Gau, wenn Infizierte bei einem Spiel sind, das unter ganz falschen Voraussetzungen zugelassen wird." Falsch in dem Sinne, "dass ein Fußballspiel eine Freilichtveranstaltung ist. Das ist es definitiv nicht, nur weil da die Sonne oder der Mond reinscheint."
Super-Gau in Bergamo
War der Verein sich dessen bewußt? Zum Zeitpunkt des Spiels gab es in Leipzig vier Corona-Infizierte und in Mitteldeutschland 18. In Südtirol und Norditalien allerdings wütete das Virus bereits. Dass viele Sachsen im Februar in Südtirol Ski fahren, ist kein Geheimnis. Zudem untersagte RB seinen Profis am Champions-League-Abend, den VIP-Bereich wie sonst üblich zu besuchen.
Wohin das alles hätte führen können, zeigt die Champions-League-Partie zwischen Atalanta Bergamo und dem FC Valencia, das mittlerweile als Brandbeschleuniger vor allem für die Ausbreitung des Virus in Bergamo verantwortlich gemacht wird, wo Italien die meisten Corona-Toten zu beklagen hat.
Soweit ist es in Leipzig und den Gegenden, aus denen die Fans am Abend des 10. März in die Messestadt gereist waren, zum Glück nicht gekommen. "Mit dem Wissen von heute", sagt mittlerweile auch Stadtsprecher Hasberg, "würde man anders entscheiden." (RBlive/mhe)