RB LeipzigPeter Gulacsi im Interview: „Ich komme gerade erst ins beste Torwart-Alter“
Ist er mit einer Fangquote von 80 Prozent der aktuell beste Keeper im deutschen Fußball – und erliegt deshalb im Sommer womöglich den Avancen aus England? Im Interview mit der Mitteldeutschen Zeitung und RBlive spricht Leipzigs Keeper Peter Gulacsi über seine fabelhafte Form, Angebote aus der Premier League und verrät, wie er trotz Zeitmangels an seine Weihnachtsgeschenke kommt. Von Martin Henkel und Moritz Schefers
Herr Gulacsi, am Sonnabend geht es nach Freiburg, danach kommen Trondheim und Mainz, ehe RB zum Spitzenspiel nach München muss. Das Jahresendspiel bestreiten sie schließlich gegen Bremen daheim – zwei Tage vor Weihnachten. Wann kümmern Sie sich eigentlich um die Geschenke?
(lacht) Gar nicht. Ich habe ja keine Zeit. Und ich muss gestehen, oft auch keine Ideen. Meine Frau übernimmt das, ich mache im Gegenzug meinen Job auf dem Platz. Aber einmal Weihnachtsmarkt, das sollte ich schaffen.
Keine Angst davor, dass Sie von Fans bedrängt werden? Sie sind mittlerweile Publikumsliebling, das könnte die Zurückhaltung außer Kraft setzen.
Das wird nicht passieren, die Leipziger sind sehr zurückhaltend.
Als Sie 2015 nach Leipzig kamen, war ihr Vorgänger Held der Sitzschalen. Sie hatten einen schweren Stand, Fabio Coltorti zu ersetzen. Was bedeutet Ihnen die Sympathie der Fans?
Sehr viel. Es ist nicht selbstverständlich, dass einen die Fans so unterstützen. Das heißt, sie achten und schätzen, was ich mache.
Peter Gulacsi: „Meine beste Saison war die vergangene“
Mit einer Quote von 80,4 Prozent gehaltener Torschüsse, was Ligabestwert ist, gelten Sie momentan als bester Keeper im deutschen Fußball. Ihre Krakenparade gegen Lars Stindl in der Partie mit Borussia Mönchengladbach vergangenen Sonntag bestätigt den Eindruck.
Die Parade sah spektakulärer aus, als sie war.
Im Ernst?
Lars Stindl ist einer der besten Stürmer der Liga, wenn er den Ball annehmen kann, schiebt er ihn rein. Also wusste ich, er darf keine Ruhe bei der Ballannahme haben und bin schon beim Pass auf ihn zugelaufen. Er hat dann noch versucht, mich zu tunneln, aber da habe ich zugemacht. Das Positionsspiel war gut, das ja. Die Parade aber nichts Außergewöhnliches.
Sie wussten, dass der Pass kommt?
Ich kann ein Spiel gut lesen. Das ist meine Stärke und hilft mir, Szenen vorauszuahnen und mich rechtszeitig zu positionieren.
Die Behauptung, keiner in seinem Bundesligator sei gerade besser als sie, ist also zu viel der Ehre?
Die Zahlen sind gut. Aber sie erzählen nicht die ganze Wahrheit. Meine beste Saison war eigentlich die vergangene, auch weil wir ja jetzt erst 13 Spiele hinter uns haben. In der letzten Spielzeit haben mir die vielen Gegentore die Zahlen verschlechtert. Was in dieser Saison anders ist, ist unser Fokus auf das Spiel gegen den Ball. Wenn nur vier Torschüsse zu mir durchkommen, sind natürlich auch meine Zahlen besser. Ich bin also nur so gut, weil das Team so gut ist.
Peter Gulacsi enttäuscht aber verständnisvoll wegen Europapokal-Rotation
Wenn Sie diese Saison nicht besser sind als die vergangene, stagniert ihr Entwicklung.
(lacht) Natürlich nicht. Ich komme gerade ins beste Torwart-Alter. Jetzt macht sich die Erfahrung der letzten drei Jahre bemerkbar. Ich habe 80 Spiele in der Bundesliga gespielt, plus Europapokal, Pokal und Nationalmannschaft.
In diesem Jahr kommen nicht ganz so viele dazu. Sie müssen in der Europa League Yvon Mvogo den Vortritt lassen – also auch in Spielen wie dem neulich im spektakulären Celtic-Park. Wurmt Sie das?
Nein. Den Celtic-Park kenne ich von früher, das Stadion in Salzburg als ehemaliger Spieler auch. Nur Trondheim fehlt mir weiterhin. Aber ich kann es verschmerzen. Natürlich war Enttäuschung dabei, als wir im Sommer das Jobsharing besprochen haben. Ich hatte ja nicht umsonst alles dafür gegeben, dass wir international spielen können. Gleichzeitig hat mich die Argumentation des Trainerstabs überzeugt.
Wie hat man Sie besänftigt?
Zum einen, dass jeder Spieler auf seine Spiele kommen soll. Das ist nur fair und kräftigt den Teamgeist. Und: Egal, wie oft wir spielen müssen, ich habe immer eine volle Woche zum Trainieren. Ich kann regenerieren. Und ich kann in den Kraftraum, was nur sinnvoll ist, wenn ich die nächsten zwei Tage danach nicht spielen muss.
Übernächste Woche müssen sie die Hantel weglassen, dann folgt auf die Mainz-Partie nämlich das Spiel in München. Ist das der ultimative Test für ihre Saisonambitionen?
Es ist ein Spiel von 34. Aber können wir gegen die Bayern bestehen, ist das sicherlich hilfreich, unser Ziel zu erreichen.
Wir sprechen vermutlich nicht von der Meisterschaft.
(lacht) Wir wollen unter die ersten Vier, heißt in die Champions League. Das ist das große Ziel.
Die Meisterschaft ist für Peter Gulacsi noch nicht entschieden
Welche Teams sind Leipzigs ärgste Konkurrenten?
Es ist noch nichts entschieden. Man sieht an den Wolfsburgern, die erst uns und dann Frankfurt geschlagen haben, dass noch nicht alle Kandidaten oben angekommen sind. Dazu zählen ebenfalls Leverkusen und Schalke, Hoffenheim, auch Hertha. Das wird dieses Jahr unglaublich eng da oben.
Wieso sagen Sie nicht, die Meisterschaft ist drin in diesem Jahr? Immerhin schwächeln die Bayern, und die haben die vergangenen sechs gewonnen.
Dortmund ist acht Punkte weg. Die gewinnen die zähen Spiele wie auch die Highlight-Partien. Das haben sie uns und anderen Teams voraus. Aber klar, die Saison ist noch extrem lang, wir haben gerade mal knapp ein Drittel gespielt. Da ist noch lange nichts entschieden.
Die lange Spielzeit in Verbindung mit dem kleinen Kader von RB war zuletzt ein Thema nach der Niederlage in Salzburg vergangene Woche. Ihr Trainer sagte, ein Ausscheiden aus der Europa League sei kein Drama. Teilen Sie seine Meinung?
Was Ralf Rangnick gesagt hat, war, dass wir unsere Herangehensweise nicht ändern. Priorität hat nach wie vor die Liga. Nichtsdestotrotz würden wir alle gern in der Europa League überwintern.
Peter Gulacsi sieht keinen Grund, RB Leipzig zu verlassen
Dafür braucht Leipzig die Hilfe vom bereits qualifizierten Tabellenführer aus Salzburg, der in Glasgow gewinnen muss. Zuletzt hatte man aber eher den Eindruck, als seien die Konzernbande zwischen beiden Klubs arg strapaziert.
Das täuscht. Ich habe noch viele Freunde unter den Spielern dort. Und die haben mir versichert, dass sie alles geben werden.
Bevor Sie nach Salzburg und von dort nach Leipzig gewechselt sind, waren Sie Spieler des FC Liverpool. Wie ist der Kontakt nach England? Es heißt, ein paar Klubs würde sich für Sie interessieren.
Ich gelte in der Premier League als home grown player, ich wurde dort also mehr oder weniger ausgebildet. Zusammen mit meinen Leistungen weckt das natürlich Interesse. Aber ich fühle mich sehr wohl in Leipzig, meine Frau tut das auch und der Verein schenkt mir viel Vertrauen. Das will ich zurückzahlen. Also gibt es keinen Grund, zu wechseln. Ich habe bis 2022 Vertrag, den möchte ich so lange wie möglich erfüllen.