RB LeipzigDribbel-Koloss Konaté: „Straßenfußball hat mich enorm vorangebracht”
Julian Nagelsmann attestiert ihm „ein paar Gene” der brasilianischen Dribbel-Legende Lucio. „Wenn so ein Koloss mit dem Ball am Fuß losrennt, ist er schwer vom Ball zu trennen. Da muss man erstmal hinkommen”, sagt der Trainer. Und Ex-Trainer Ralf Rangnick bezeichnete ihn jüngst neben Dominik Kaiser und Yussuf Poulsen als „wichtigste Verpflichtung in meinen sieben Jahren als Sportdirektor. Ibrahima ist so gut, dass er eines Tages mal bei Real Madrid oder dem FC Barcelona spielen wird.“
Ibrahima Konaté ist nicht nur RB Leipzigs stärkster Zweikämpfer (66 Prozent durchschnittlich), sondern ragt auch durch seine Dribblings heraus. Im Gespräch in der Akademie am Cottaweg berichtet der bescheidene 1,93-Meter-Hüne über seine Bolzplatz-Kindheit, Werte, die ihm seine Familie mitgegeben hat, seine Ambitionen in den französischen Nationalteams und die Ambitionen mit RB in dieser Saison.
Ibrahima, Sie sind mit 20 Jahren nicht mehr aus der Abwehr bei RB Leipzig wegzudenken, haben die meisten Spiele in dieser Saison zentral in der Dreierkette bestritten. Sind Sie RB Leipzigs neuer Abwehrchef?
Ibrahima Konaté: Wir haben keinen wirklichen Abwehrchef, sind alle sehr variabel. Ich habe ein paar Partien zentral gespielt, gegen Bremen hat Dayot Upamecano diese Rolle eingenommen, Willi Orban hat dort auch schon gespielt. Wir bekommen alle in jedem Spiel unsere Aufgaben vom Trainer, die wir bisher sehr gut erledigen.
Was will der Trainer von Ihnen speziell sehen?
Wenn ich im Zentrum spiele, soll ich ich defensiv dafür sorgen, dass Ordnung in der Restfeldverteidigung herrscht und kann das Spiel von hinten heraus aufbauen, weil ich von dieser Position eine gute Übersicht habe.
Neben Ihrer enormen Zweikampfstärke sind Ihre Dribblings außergewöhnlich. Haben Sie einen Freibrief von Julian Nagelsmann bekommen, um in geeigneten Situationen nach vorn zu stoßen?
(lacht) Ich möchte darüber nicht zu viel verraten, weil das Dinge sind, die intern bleiben müssen. Nur soviel: Ich mache diese Vorstöße, um eine Überzahl im Mittelfeld herzustellen und mehr Druck zu entwickeln. Da gibt es diverse Anweisungen vom Trainer, warum und wann ich mich aus der Kette löse. Aber das muss ich für mich behalten.
Einschub: Weil Ibrahima Konaté nicht zu viel verraten wollte, haben wir am Tag nach dem Interview Trainer Julian Nagelsmann nach Konatés Rolle und den Anforderungen an ihn gefragt. „Als Halbverteidiger finde ich ihn noch ein wenig talentierter (als im Zentrum der Dreierkette, Anm.d.Red.), weil er da sein klares Verteidigungsmuster, was ihn so stark auszeichnet, am besten zeigen kann. Er muss das Spiel mit Ball noch aktiver gestalten. Gegen Bremen hat er häufig Meter in der Spieleröffnung verschenkt, weil er noch zu tief stand. RB hat in der Vergangenheit sehr viel lange Bälle gespielt, heute versuchen wir, flach hinten heraus zu spielen. Das ist für Innenverteidiger eine große Umstellung. Da darf er sich mehr beteiligen, weil er es gut kann. Wenn einer was gut kann, darf er es gern auch öfter zeigen.”
Ibrahima Konaté: „Straßenfußball hat mich enorm vorangebracht”
Woher haben Sie diese Beweglichkeit trotz Ihrer beeindruckenden Statur?
Bis ich zwölf Jahre alt war, habe ich Stürmer gespielt; danach hat mir ein Trainer gesagt, dass das Mittelfeld für mich besser geeignet wäre, um mehr Kopfballduell, Eins-gegen-Eins-Situationen und Zweikämpfe zu bestreiten. Das habe ich gespielt, bis ich 17 war. Bei Sochaux haben mich die Trainer dann zum Innenverteidiger umgeschult, weil ich als früherer Stürmer sehr beweglich war und als Ex-Mittelfeldspieler sehr geschmeidig. Sie sagten: Gepaart mit meiner Schnelligkeit, Physis und Technik würde das gut passen und haben mich umgestimmt. Das war die richtige Entscheidung.
Trainieren Sie diese Beweglichkeit speziell?
Nein, das hatte ich immer drauf, das ist angeboren. Das gehört einfach zu meinem Repertoire.
Welche Rolle spielt bei diesen Fähigkeiten Ihre Kindheit als Straßenfußballer in den Fußballkäfigen der Pariser Banlieues?
Jeder, der Straßenfußball gespielt hat, hat normalerweise andere Qualitäten als Spieler, die immer nur in einer Akademie waren. Auf der Straße ist es ja so: Du kannst alles ausprobieren, was du willst. Mit deinen Jungs spielst du Szenen nach, die du im Fernsehen gesehen hast. Da hatte ich vollkommen freie Wahl, was ich trainieren wollte, ohne Gedanken an einen Trainer zu haben, der dich möglicherweise beschränkt oder ganz bestimmte Vorstellungen hat. Da konnte ich mich als Kind austesten, das hat mich enorm nach vorn gebracht.
Welche Rolle spielt Ihre Herkunft für Ihre Entwicklung als Fußballprofi?
Unsere Eltern haben mir immer mitgegeben, mich auf meine Zukunft zu konzentrieren, dass ich eine gute Ausbildung absolviere und einen guten Beruf habe. Und dann hat man im Banlieue selbst die Wahl: Entweder man entwickelt sich in eine gute Richtung oder man geht einen anderen Weg. Meine Familie hat mich unterstützt. Diese Werte, die ich mitbekommen habe, sind wichtig für mich.
„Mir ist es egal, ob ich ein großer Spieler bin”
Inzwischen haben Sie einen Transferwert um die 50 Millionen Euro.
Es ist mir und meiner Familie egal, ob ich ein vermeintlich großer Spieler bin oder nicht. Ich sehe mich übrigens selbst als normalen Spieler in einer sehr guten und talentierten Mannschaft, der seine Arbeit macht und versucht, sich weiterzuentwickeln. Deswegen bin ich auch hier bei RB Leipzig, wo ich sehr zufrieden bin.
Was haben Sie bei RB Leipzig am meisten gelernt?
Ich bin sehr dankbar, dass mir RB enorm geholfen hat, meinen Weg zu machen. Als ich kam, war ich noch lange nicht so weit, wie ich jetzt bin. Die Fortschritte, die ich gemacht habe, sind immens. Ich habe mich Stück für Stück, Spiel für Spiel verbessert. Jedes Wochenende, das ich spiele, ist eine neue Erfahrung, eine weitere Steigerung für mich. Bei RB Leipzig kann ich das, was ich im Training mache, genauso im Spiel umsetzen. Das ist ein großer Vorteil.
Was ist Ihr Anspruch an Sie selbst und das Team in dieser Saison?
Wir wollen gemeinsam etwas erreichen. Das haben wir intern besprochen und das bleibt auch intern. Wir betrachten nicht die ganze Route, sondern passieren Etappe für Etappe. Und dann schauen wir, was am Ende dabei herauskommt.
Konaté: „Wissen genau, woher wir kommen, was wir draufhaben und was wir erreichen können”
Der erste Tabellenplatz ist kein Thema für Sie?
Klar, sind wir gerade Erster und viele Leute reden darüber und wollen uns schon jetzt die Rolle eines Titelkandidaten zuzuschreiben, dafür ist es aber viel zu früh. Für uns ist entscheidend, dass wir uns nicht ablenken lassen. Wir wissen genau, woher wir kommen, was wir draufhaben und was wir erreichen können. Die aktuelle Tabellenposition versuchen wir auszublenden. Nach fünf Spieltagen wird man nicht Deutscher Meister.
Das Training, das wir gerade gesehen haben, war sehr intensiv. Hat Julian Nagelsmann die Zügel nochmals angezogen?
Wir trainieren immer so intensiv. Der Trainer hat uns gesagt, dass wir hart arbeiten müssen, wenn wir uns entwickeln wollen. Wir haben auch schon in den vergangenen Jahren hart trainiert, aber unter Julian Nagelsmann ist die Intensität noch einmal gestiegen ist. Das ist gut für unsere Entwicklung.
Der Trainer redet sehr viel und laut während der Einheiten. Nervt das auch mal?
Das stört uns nicht, das bringt uns vielmehr auf ein Aufmerksamkeitslevel, dass wir alle konzentriert bei der Arbeit und hellwach sind.
„Die A-Nationalmannschaft ist eine andere Welt”
Worauf liegt Ihr Fokus beim französischen U21-Team, und haben Sie schon Signale der A-Nationalmannschaft Frankreichs erhalten?
(lächelt) Die A-Nationalmannschaft ist eine andere Welt. Ich weiß nicht, was Trainer Didier Deschamps dort vorhat, ich habe keinen Kontakt mit ihm. Aber das ist für mich weit weg. Erst einmal habe ich mit meiner U21 viel vor. Im Sommer 2020 finden die Olympischen Spiele in Tokio statt. Es dorthin zu schaffen, ist unser Ziel und ein Traum. Wir Franzosen waren lange nicht mehr bei Olympia. Dort dabei zu sein, ist sicher ein Riesensache. Darauf freue ich mich. Aber da kommt noch viel Arbeit auf uns zu.
Sie sind im Gespräch und auf dem Platz die Ruhe selbst, woher rührt diese Eigenschaft bei Ihnen?
Nicht nur ich, sondern auch viele andere Spieler hier strahlen Ruhe aus. Mir hilft auch die Erziehung durch meine Eltern, dass ich nicht so schnell die Nerven verliere. In der Ruhe liegt die Kraft.
Sie sind gläubiger Muslim. Welche Rolle spielt Religion für Sie?
Meine Religion ist für mich sehr wichtig. Gerade in schwierigen Phasen, als ich verletzt war, bleibt einem nur das Gebet. Ich denke, dass Gott den Weg derjenigen leitet, die er mag.
Welche Dinge mögen Sie, wenn Sie nicht mit Fußball beschäftigt sind?
Wir haben ja kaum Zeit. Wenn doch mal frei ist, dann gehe ich mit meinen Kollegen mal etwas essen oder trinken. Aber ich genieße es auch, mal zu Hause zu sein und die Füße hochzulegen. Es klingt komisch für meine Generation: Aber Play-Station ist nicht mein Ding. Ich lese lieber Bücher oder schaue mir eine Serie an. Ich will auch meine Bildung verbessern. (RBlive)
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