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RB Leipzig„Fußball-Welt dreht sich ums Geld”: SPD polemisiert, Wissenschaftler halten Reisen von RB Leipzig & Co. nach Budapest für „unkritisch”

Von (RBlive/sid/dpa/ukr)
09.02.2021, 14:21
Streitfall: Austragung der Europapokal-Spiele in der niegelnagelneuen Puskas-Arena in Budapest.
Streitfall: Austragung der Europapokal-Spiele in der niegelnagelneuen Puskas-Arena in Budapest. imago/ActionPictures

Durch die Verlegung von Europacup-Spielen haben die Topklubs aus der Fußball-Bundesliga die Debatte über die Privilegien ihrer Branche wieder angestoßen. Die notgedrungenen Reisen von RB Leipzig und Borussia Mönchengladbach nach Ungarn sowie der TSG Hoffenheim nach Spanien stoßen auf immer mehr Kritik.

„Es ist schon befremdlich, welche Maßnahmen ergriffen werden. Jeder durch diese Verlegungen zusätzliche Kontakt ist einer zu viel”, kommentierte die Bundestags-Sportausschussvorsitzende Dagmar Freitag. „Eines macht das Vorgehen wieder klar: Am Ende dreht sich die Fußball-Welt in ihrem eigenen Kosmos - und vor allem ums Geld.”

SPD-Politikerin Freitag: „Mehr Demut täte dem Fußball gut”

Die drei Bundesliga-Teams absolvieren mit ihren Begleittrossen wegen der Einreise-Beschränkungen in Deutschland und Norwegen jeweils zwei außerplanmäßige Flugreisen. Leipzig und Mönchengladbach hatten ihre Achtelfinal-Hinspiele in der Champions League gegen englische Gegner in Ungarns Hauptstadt Budapest verlegen müssen. Hoffenheims Europa-League-Kontrahent Molde FK darf in Norwegen keine ausländischen Gegner empfangen und lotste die Kraichgauer ins spanische Villarreal um.

Freitag erinnerte jedoch an die Sonderstellung des Fußballs und die damit verbundene Verantwortung. „In der Pandemie-Bekämpfung sind wir an einem fragilen Punkt. Der Fußball tut dennoch so, als habe er mit all dem nichts zu tun”, sagte die SPD-Politikerin: „Der Fußball hat eine sehr komfortable Position. Ich habe den Eindruck, dass diese mittlerweile als völlige Selbstverständlichkeit wahrgenommen wird. Ein wenig mehr Demut täte mit Blick auf den Rest der Gesellschaft ganz sicher gut.”

Dass das Infektionsrisiko für beide Teams geringer gewesen wäre, wenn RB Liverpool im heimischen Stadion empfangen hätte, dazu äußerte sich Freitag nicht. RB Leipzig hatte einen Ausnahmeantrag gestellt, der jedoch vergangene Woche vom Bundesinnenministerium und der Bundespolizei abgelehnt worden war. Hätte RB keinen Ausweichspielort gefunden, wäre die Partie mit 0:3 verloren gewertet worden.

Virologin Protzer: Spiel von RB Leipzig in Budapest „vernünftige Lösung”

Für die Virologin Ulrike Protzer hingegen stellen die Budapest-Trips von Leipzig gegen den FC Liverpool (16. Februar) und Gladbach gegen Manchester City (24. Februar) keine unkalkulierbaren Risiken dar. „Es ist eine vernünftige Lösung”, sagte die 58-Jährige von der Technischen Universität München bei Sky Sport News: „Die Ungarn sind im Moment mit den Zahlen auf dem gleichen Niveau, wie wir es sind.”

Auch der Pharmakologe Fritz Sörgel hat trotz der Corona-Beschränkungen keine Bedenken bei Reisen zu Spielen im Fußball-Europacup. „Wenn man sie auf dem gleichen Niveau der Sicherheits- und Hygienemaßnahmen wie in der Bundesliga austrägt, kann man nichts dagegen sagen”, sagte der 70-jährige Nürnberger. Das Konzept der Deutschen Fußball Liga habe sich als eine „sichere Geschichte” mit relativ wenigen Corona-Fällen bei Spielern und Betreuern herausgestellt.

Experte Sörgel: „Zerstreuungseffekt” des Fußballs

Neben den Gesundheits- und Sicherheitsrisiken gibt es für Sörgel noch einen gesellschaftlichen Aspekt, Fußballspiele und -Reisen zu veranstalten. „Die Menschen sind in der Pandemie am Limit und man kann die Frage stellen, was ist dabei der Fußball wert”, sagte er. „Da muss man auch in Erwägung ziehen, welchen Zerstreuungseffekt er hat.” Gegen Reisen von Profisportlern hatten sich zuletzt auch die SPD-Politiker Karl Lauterbach und Lars Klingbeil ausgesprochen.

„Das ist auch mal verzichtbar an dieser Stelle”, sagte der SPD-Generalsekretär und DFL-Taskforce-Mitglied Klingbeil schon zu Wochenbeginn: „Der Wettbewerb darf da nicht an erster Stelle stehen.” Auch sein Parteikollege und Gesundheitsexperte Lauterbach zeigte kein Verständnis: „Wir sollen alle auf Reisen verzichten. Ich verstehe nicht, warum wir für den Profizirkus eine Ausnahme machen sollten.”

Zumal die Bemühungen des Fußballs um die Aufrechterhaltung seines Geschäftsmodells noch abstrusere Formen annehmen dürften. Denn während Molde und Hoffenheim in Spanien spielen können, darf Atletico Madrid wegen des spanischen Banns für Engländer sein Champions-League-Heimspiel gegen den FC Chelsea (23. Februar) voraussichtlich nicht im eigenen Land austragen. Umgekehrt können auch Großbritanniens neue Einreisebestimmungen den Europacup-Kalender noch weiter durcheinanderwirbeln. 

So wird etwa der FC Arsenal sein kommendes Auswärtsspiel in der Europa League gegen den portugiesischen Fußballverein Benfica Lissabon voraussichtlich in Italien austragen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur PA soll die Partie in Rom stattfinden. Portugal steht auf der sogenannten „roten Liste” - nur britische Staatsbürger und Menschen mit Wohnsitz im Vereinigten Königreich dürfen von dort einreisen.