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RB-Gegner in der Analyse Real vermisst das königliche Phantom

Schattenspieler Jude Bellingham hat für Real Madrid in dieser Saison den Unterschied gemacht. Dass er fehlt, ist ein immenser Vorteil für RB Leipzig, analysiert Taktik-Professor Daniel Memmert im zweiten Teil seiner Kolumne für MZ und RBlive.

13.02.2024, 06:00
Prof. Dr. Memmert analysiert für RBlive.
Prof. Dr. Memmert analysiert für RBlive. (Foto: imago/motivio/dshs köln)

Leipzig/Köln – Professor Daniel Memmert ist geschäftsführender Leiter des Instituts für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule Köln. Vor dem Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League zwischen RB Leipzig und Real Madrid (21 Uhr) hat der Experte für Spielanalyse im zweiten Teil seiner Kolumne „Memmerts Taktik-Sprechstunde” Leipzigs Gegner unter die Lupe genommen und dabei auch Schwächen gefunden.

Von Prof. Daniel Memmert

Das neue System: Real Madrid hat seit dieser Saison sein System geändert. Zuvor haben sie bevorzugt in einer 4-3-3-Grundordnung gespielt, die auf Mittelstürmer Karim Benzema zugeschnitten war. Jetzt versucht Trainer Carlo Ancelotti ohne klassischen Neuner – und das sehe ich absolut als Plus –, die besten Offensivakteure auf dem Feld zu vereinen, die er hat. Die Stärken seiner Spieler sind ihm wichtiger als das System.

Trügerischer Ballbesitz: Real wird RB die Chance geben, Fehler zu machen

Die zwei Defensiv-Systeme: Wenn der Ball weit weg vom eigenen Tor ist und Real ins Offensivpressing geht, agieren sie in einem 4-4-2-System mit Mittelfeld-Raute. Der nun verletzte Jude Bellingham steuert normalerweise das Gegenpressing. Dass er fehlen wird, ist für Real in doppelter Hinsicht dramatisch. Er ist nicht nur am Ball außergewöhnlich, sondern gehört auf seiner Position auch zu den besten Balleroberern in Europa.

Generell macht Real das bei gegnerischem Ballbesitz sehr geschickt: Gerade gegen Pressingteams wie RB Leipzig ziehen sie sich in bestimmten Spielphasen zurück und überlassen dem Gegner den Ball. Dann verteidigen sie 4-4-2-flach, also mit zwei Viererketten, die sich verschieben. Dahinter steckt der kluge Gedanke: Immer nur Vollgas zu spielen, macht keinen Sinn. Du musst auch dem Gegner die Chance geben, Fehler zu machen, die sie mit Kontern bestrafen.

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Unberechenbar variabel: Reals Offensive genießt totale Freiheiten

Totale Freiheiten in der Offensive: Wenn Real im Angriff ist, agiert der Champions-League-Rekordsieger mit unheimlich variablen Systemen. Häufig zu beobachten ist, dass die Außenverteidiger extrem hoch stehen und fast auf Höhe der offensiven Mittelfeldspieler operieren. Die vier Mittelfeldspieler genießen totale Freiheiten. Manchmal agieren sie als Quadrat, manchmal als Raute, und verschieben oft als Formation zum Ballführenden.

Im Zentrum ihres Spiels steht normalerweise der Masterspieler Bellingham. Ich nenne ihn das königliche Phantom, denn er ist wie ein Schattenspieler und taucht einfach überall auf. Manchmal zieht er sich im Aufbau weit zurück, dann agiert er wieder in der Sturmspitze. Gefährlich sind seine Tiefenläufe, wenn er nach Ballzirkulation plötzlich in Richtung der Viererkette antritt und zwei Abwehrlinien überläuft. Das ist für jede Abwehr total schwer zu verteidigen, weil er erst von den defensiven Mittelfeldspielern an die Abwehr übergeben werden muss und sich dann die Innen- und Außenverteidiger einigen müssen, wer ihn übernimmt. Diese Variabilität macht Real für alle Gegner extrem unberechenbar. Vor allem deswegen ist es ein immenser Vorteil für die Leipziger, dass er nicht dabei ist.

Nach Ballgewinnen muss RB über die Flügel kontern

Reals Schwächen und Leipzigs Chance: Der spanische Tabellenführer hat in der Regel keinen klaren Mittelstürmer auf dem Platz. Dadurch ist das Sturmzentrum meist nicht besetzt und die gegnerischen Innenverteidiger sind nicht dauerhaft beschäftigt. Das ist ein Nachteil, weil alle Statistiken zeigen: Die Box muss besetzt sein, um dauerhaft Torgefahr zu erzeugen. Defensiv anfällig ist Real bei Ballverlusten, wenn die hoch postierten Außenverteidiger nicht mehr hinter den Ball kommen und dann etwa Toni Kroos als Sechser auch mal an der Außenlinie ins Laufduell muss. So sind schon einige Gegentore entstanden. Das sollte auch Leipzigs Strategie sein: Nach Ballgewinnen muss RB über die Flügel kontern und die Räume dort nutzen.

Und ein Punkt noch: Dadurch, dass die Real-Spieler so flexibel agieren, sind sie nicht immer auf den Positionen zu finden, wo sie ihre absoluten Stärken haben. Bellingham etwa ist ein Ballträger, das kommt in dem System aber kaum zum Tragen, weil er gleichzeitig auch als Zielspieler einläuft. Oder Vinicius Junior, der oft auf dem Flügel spielt, hat eigentlich andere bevorzugte Räume, die er beläuft und bespielt.

Offenes Duell

Fazit: Offenes Duell
Es wird zum einen spannend sein zu sehen, ob die Leipziger die Chance bekommen werden, im hohen Pressing Bälle zu erobern. Reals Routinier Toni Kroos hat schließlich eine immense Sicherheit und die besten Passwerte überhaupt. Und zum anderen müssen sie ihr Ballbesitzspiel nutzen, wenn Real ihnen die Kugel überlässt. Da wird man gegen eine der besten Mannschaften der Welt sehen, wie weit Leipzig in seiner Entwicklung im Kreativ- und Positionsspiel schon gekommen ist. Ich sehe dieses Duell als durchaus offen an. Aber die Leipziger müssen an der perfekten Leistung kratzen und eine Schippe drauflegen, um eine Chance zu haben.

Lesen Sie hier: Teil 1 von Memmerts Taktik-Sprechstunde ü´ber Bayer Leverkusen

Memmert postet auch auf seinem YouTube-Kanal spannende Inhalte zum Thema Spielanalyse. Via LinkedIn können Sie direkt mit ihm in Kontakt treten.