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RB Leipzig„Sachsen-Galli” schreibt „Easy Rider” Mateschitz: Die Gründungsmythen von RB Leipzig

19.05.2019, 17:45
War 2008 inkognito in Leipzig: Dietrich Mateschitz
War 2008 inkognito in Leipzig: Dietrich Mateschitz imago/Andreas Beil

Roland Gall hätte in diesen Tagen seine Freude an RB Leipzig gehabt: Rund um das Pokalfinale und den zehnjährigem Geburtstag, den der Klub an diesem Sonntag begeht, ist Rasenballsport gerade bundesweit medial präsent. An der Akademie am Cottaweg herrscht Medienrummel. Vor dem letzten Ligaspiel dieser Jubiläumssaison sagte RB-Sportdirektor Ralf Rangnick: „Wir hatten nicht den Anspruch, dass es alle vom ersten Tag an toll finden, was wir hier machen. Aber wir sind unbeirrt unseren Weg gegangen und werden immer mehr für das bewertet, was hier bewegt wurde.”

Und der Elektrikermeister Gall, der im sachsen-anhaltischen Hohenmölsen lebte, hatte ideellen Anteil daran, dass der Fußballstandort Leipzig dank der Red-Bull-Millionen prosperieren konnte.

Roland Gall: „Die Tür aufgemacht hab‘ ich”

Als 2006 beim FC Sachsen Leipzig händeringend nach einem Sponsor gesucht wurde, war Edelfan „Sachsen”-Galli der erste, der Kontakt zu Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz aufnahm und den Multimilliardär wegen eines Sponsorings des Leipziger Fußballs anschrieb – handschriftlich, auf zehn Seiten. Das Kuriose ist, dass Mateschitz tatsächlich antworten ließ.

Zwar beinhaltete das Schreiben, das Gall aufbewahrte wie einen Schatz, zunächst eine Absage. Aber Gall unterstrich das Wörtchen „momentan” gleich mehrfach. Immerhin: Die Option Leipzig war im Kopf von Mateschitz platziert. „Ich will mich nicht mit falschen Lorbeeren schmücken”, sagte Gall bei einem Besuch im Sommer 2015, „aber die Tür aufgemacht hab’ ich.” Wenn man so will, war der rührige Fan der erste Visionär und Wegbereiter für Rasenballsport.

Gall übermittelte dem damaligen Stadionbetreiber und Geldgeber Michael Kölmel den Kontakt, der dringend ein Zugpferd für sein unrentables WM-Stadion suchte. Wenige Monate später verhandelte Kölmel dann tatsächlich mit Mateschitz; auch Franz Beckenbauer soll Mateschitz nach der WM das zur Verfügung stehende Leipziger Stadion empfohlen haben.

Doch der Deal mit dem FC Sachsen platzte zunächst überraschend. Mateschitz wollte anders als in Salzburg keinen bestehenden Verein übernehmen. Er plante, einen eigenen Klub zu gründen. Ohne Mitglieder, die seine Pläne durchkreuzen könnten. Und mit eigenem Logo und eigenen Farben. Und am Wichtigsten: Mit einem selbst gegründeten Verein umging Mateschitz die 50+1-Regel. Ein Schlupfloch im Regelwerk.

Mateschitz als Easy Rider in Leipzig

Um zu erkunden, ob Leipzig dafür der richtige Standort sei, fuhr er im Frühjahr 2008 inkognito mit dem Motorrad in die Messestadt. „Ich ging mit meinen Motorradklamotten in Cafés und auch zu anderen Plätzen. Keiner erkannte mich, wie auch, ich sah aus wie ein Easy Rider”, erzählte der Steirer einmal der Sport-Bild. Mateschitz gefiel es, und er entschied sich gegen den Rat vieler für den Standort im Osten. „Ich hatte nun einmal die Schnapsidee”, sagte er.

Zunächst waren dann der FC Eilenburg und der ZFC Meuselwitz als Starthilfeklubs vorgesehen. Doch als Eilenburg überraschend abstieg und Meuselwitz zu hohe Forderungen gestellt haben soll, geriet der SSV Markranstädt in den Fokus. Der Leipziger Vorstadtverein vermachte dem neu gegründeten Rasenballsport e.V. seine Lizenz mittels einer Teilfusion. Der Deal: Für ein Jahr gliederte Markranstädt all seine Männermannschaften an RB aus und holte sie bis auf die erste Mannschaft 2010 zurück. Dafür sollen 900.000 Euro geflossen sein. Der Sächsische Fußballverband half beim Ausgestalten der Regelwerke für den Einstieg des Getränkeriesen in den deutschen Fußball freundlich mit.

Erster Präsident von RB war der Spielerberater Andreas Sadlo, der Mateschitz persönlich kannte und das Gründungspräsidium auch mit einem Hallenser bestückte. Der Rechtsanwalt Lutz Lehmann – Schwerpunkt Vertragsrecht – arbeitete damals mit Sadlo zusammen und gehörte zu den ersten sieben Mitgliedern, die RB aus der Taufe hoben. Sprechen mag der Jurist über die Zeit nicht. Er habe keinen besonderen Anteil gehabt, sagt er nur.

Gründungsriege: Sportdirektor Joachim Krug, Sportdirektor Joachim Krug, Ingo Hertzsch, Thomas Kläsener, Trainer Tino Vogel, Red-Bull-Fußballchef Markus Egger, Torwarttrainer Perry Bräutigam und Präsident Andreas Sadlo (von links)
Gründungsriege: Sportdirektor Joachim Krug, Sportdirektor Joachim Krug, Ingo Hertzsch, Thomas Kläsener, Trainer Tino Vogel, Red-Bull-Fußballchef Markus Egger, Torwarttrainer Perry Bräutigam und Präsident Andreas Sadlo (von links)
imago/Picture Point

Geschätzte Red-Bull-Zahlungen seit 2009: eine halbe Milliarde

Dabei ging es schon damals um große Summen. 100 Millionen Euro stellte Red Bull damals über einen Zeitraum von zehn Jahren in Aussicht. Eine symbolische Summe, denn tatsächlich ist das nur ein Bruchteil von dem, was der Getränkeriese seit 2009 investiert hat. Genaue Zahlen halten Red Bull und RB unter Verschluss. Doch grob geschätzt dürften sich die Zuwendungen für Sponsoring inklusive Stadionkauf und Bau der Akademie am Cottaweg in Richtung 500 Millionen Euro bewegen.

Roland Gall konnte die rasante und umstrittene Erfolgsgeschichte der Leipziger nur noch kurz verfolgen. Er starb 2015 im Alter von 65 Jahren; den Aufstieg in die Bundesliga und die dreimalige Qualifikation für den Europapokal erlebte er nicht mehr mit. Immerhin würdigte Rasenballsport sein Engagement und ernannte Gall nur wenige Monate vor seinem Tod zum einzigen Ehrenmitglied.

Dieser Text ist der zweite Teil einer Serie zum zehnten Geburtstag von RB Leipzig. Bei RBlive.de lesen Sie in den kommenden Tagen und Wochen weitere Teile.

Bisher erschienen: Zehn Jahre RB Leipzig – Eine Zeitreise