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RB Leipzig„Freestyle auf dem Acker”: Generalkritik von Nagelsmann nach dem 2:2 von RB Leipzig im Wortlaut

Von (RBlive/mhe/ukr)
11.12.2019, 12:16
Freestyler? Emil Forsberg gegen Lyons Jason Denayer.
Freestyler? Emil Forsberg gegen Lyons Jason Denayer. imago/Picture Point LE

Eigentlich hätte das Finale in Gruppe G Anlass zum Jubel geboten. RB Leipzig ist nach dem 2:2 (2:0) in Lyon nicht nur erstmals für das Achtelfinale qualifiziert, sondern sogar als Gruppenerster. Doch Trainer Julian Nagelsmann war in den Katakomben des Groupama-Stadions überhaupt nicht zum Jubeln zumute. Stattdessen setzte der 32-Jährige zu einer Generalkritik an. Nagelsmann ärgerte nicht nur Konkretes aus den 90 Minuten zuvor, sondern sieht seine Ziele gefährdet, weil zu viele Spieler seine Vorgaben nicht umsetzten. „Soll es weiter in Ordnung sein? Wollen wir mal schauen, wie weit wir in Champions League und Pokal kommen und wie lange wir in der Bundesliga oben mitspielen? Oder soll es besser als in Ordnung sein?”, fragte Nagelsmann angefressen. Die komplette Pressekonferenz mit dem ehrgeizigen RB-Chefcoach nach dem Spiel in Lyon:

Herr Nagelsmann, Glückwunsch zum Gruppensieg. Wie zufrieden sind Sie mit dem 2:2 in Lyon?
Julian Nagelsmann: Wir sind glücklich, dass wir als Gruppenerster ins Achtelfinale der Champions League eingezogen sind. Das war das Hauptziel. Wir haben gut angefangen, viel Druck, aber deutlich zu wenige Tore gemacht. Im Verlauf der ersten Hälfte hat sich die zweite dann schon angedeutet: Wir wurden träge und schlampig im Spielvortrag, hatten häufig falsche Entscheidungen, haben selten den ballfernen Raum gesehen, hatten wenig Verlagerungen.

In der zweiten Hälfte strahlte RB kaum Torgefahr aus und konnte auch den Zwei-Tore-Vorsprung nicht verwalten.
Mit der zweiten Halbzeit bin ich absolut nicht zufrieden. Wir haben nicht ein Mal die taktische Vorgabe umgesetzt. Wir haben heute ebenso wie gegen Hoffenheim über 90 Minuten gesehen nicht gut performt. Wir dürfen nicht anfangen zufrieden zu sein mit dem, was wir gerade erreicht haben. Es geht um Entwicklung, da haben wir genügend Baustellen. Jetzt muss der nächste Schritt folgen, und da geht es darum, dass man die besprochenen Dinge auch so umsetzt, dass der Trainer reagieren kann, falls etwas nicht funktioniert. Weil wir das in der zweiten Hälfte nicht geschafft haben, haben wir einen Gegner, der tabellarisch und vom Spielergebnis her nicht mehr so viel von uns wollte, wieder ins Boot geholt.

Nagelsmann: „Zu großes Gefälle” im Kader

Sie haben im Vergleich zum 3:1 gegen Hoffenheim fünf neue Spieler gebracht. Wie zufrieden waren Sie mit deren Leistungen?
Unterschiedlich. Aber generell haben wir aktuell ein zu großes Gefälle zwischen denen, die mehr Rhythmus haben und denen, die weniger Rhythmus haben.

Haben Sie erwartet, dass Lyon anfangs so passiv agiert?
Erwartet habe ich das nicht. Es wäre ja auch komisch zu erwarten, dass der Gegner sehr schwach ist, obwohl er gewinnen muss. Wir haben es anfangs ordentlich gemacht, Lyon war überrumpelt. Aber in der ersten Halbzeit musst du den Gegner so bespielen, dass du mit vier Toren in die Pause gehst. Das war möglich. Wir hatten drei, vier Umschaltsituationen, bei denen wir häufig nicht die richtigen Entscheidungen getroffen haben. Da wäre deutlich mehr drin gewesen. In der zweiten Hälfte haben sie dann viel Druck gemacht – und wir nicht mehr so viel.

Freestyle kann man im Weihnachtsurlaub mit dem Snowboard mal machen, nicht auf dem Fußballplatz.

Julian Nagelsmann

Haben Sie eine Erklärung dafür, weshalb Ihre Mannschaft innerhalb von 90 Minuten inkonstant spielt und taktisch nicht mehr das abliefert, was Sie von ihr verlangen?
Ich habe eine inhaltliche Erklärung. Wir haben uns nicht freigelaufen in der ersten Halbzeit, sind nicht ein Mal in den Dreieraufbau gekommen, wie wir das wollten. Das liegt nicht an der ganzen Gruppe. Wie hatten auch heute zwei, drei Spieler, die das gut umgesetzt und probiert haben, was wir besprochen hatten. Aber es waren auch zwei, drei Spieler auf dem Acker, die sehr viel Freestyle unterwegs waren. Freestyle kann man im Weihnachtsurlaub mit dem Snowboard mal machen. Auf dem Fußballplatz ist es wichtig, die Dinge, die wir gemeinschaftlich besprechen auch so umzusetzen, dass wir gemeinschaftlich erfolgreich sein können. Nur dann geht die Entwicklung auch tatsächlich nach vorn.

Nagelsmann: „Soll es in Ordnung sein oder besser als in Ordnung?“

Ihre Kritik fällt trotz des erreichten Zieles, als Gruppenerster ins Achtelfinale zu gehen, deutlich aus.
Ich will nicht zu kritisch sein. Dass wir Zweiter in der Bundesliga sind und als Gruppenerster im Achtelfinale der Champions League stehen, ist alles in Ordnung. Aber es geht jetzt darum, die Entscheidungen zu treffen: Soll es weiter in Ordnung sein? Wollen wir mal schauen, wie weit wir in Champions League und Pokal kommen und wie lange wir in der Bundesliga oben mitspielen? Oder soll es besser als in Ordnung sein? Dann müsste jeder Spieler versuchen – auch wenn er mal keinen Rhythmus hat –, die 90 Minuten so nutzen, dass er beim nächsten Mal wieder spielt. Das funktioniert, indem ich zu Beginn erst einmal das mache, was der Trainer vorgibt. Dann habe ich als Profi immer auch Spielraum für Freestyle.

Sehen Sie es angesichts der aktuellen Tabellenstände in den Gruppen als Vorteil, Erster geworden zu sein?
Aktuell sind Neapel, Real Madrid, Tottenham und Chelsea Gruppenzweiter. Diese Mannschaften sind jetzt auch nicht soo schlecht.

Bis Weihnachten im Idealfall neun Punkte holen

Wann müssen die Jungs wieder ran?
Am Donnerstag geht es weiter.

Am Mittwoch ist also Freestyle?
(lacht) Richtig, gut gemerkt!

Was erwarten Sie in den drei ausstehenden Spielen?
Wir hätten gern eine bessere Leistung gezeigt, haben jetzt drei Bundesligaspiele, auf die der Fokus gerichtet werden sollte, in denen wir im Idealfall neun Punkte holen wollen, um eine top Ausgangsposition und -situation für die Rückrunde der Bundesliga vorzufinden, wenn wir am 6. Januar wieder ins Training starten.

Das Gespräch in der Pressekonferenz in Lyon haben wir aufgezeichnet.