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  5. Krisenanalyse bei RB, Teil 4: Das Red-Bull-Modell stößt an seine Grenzen

Teil vier der Krisenanalyse Das Red-Bull-Modell stößt an seine Grenzen

In einer vierteiligen Serie beleuchtet RBlive die vielschichtigen Gründe für die Schieflage von RB Leipzig. Nachdem wir Kader, Trainer und Funktionäre unter die Lupe genommen haben, wird die Mini-Serie mit den Hindernissen der grundsätzlichen Funktionsweise des Red-Bull-Konstrukts abgeschlossen.

Von Ullrich Kroemer, Martin Henkel 06.03.2025, 21:22
Das Red-Bull-Modell ist aktuell verzerrt, braucht neue Impulse.
Das Red-Bull-Modell ist aktuell verzerrt, braucht neue Impulse. (Foto: imago/motivio)

Leipzig – Das grundlegende Klubkonstrukt von Red Bull stößt gerade an seine Grenzen. Ohne den immer neuen Verkauf von Leistungsträgern ist das Finanzmodell nicht tragfähig, wenn der Konzern nicht in Konflikt mit der Financial-Fairplay-Regel der Uefa kommen will, nach der das Sponsoring im Verhältnis zum Gesamtumsatz stehen muss.

Lesen Sie hier: Teil 1 der Krisenanalyse – Der Kader

Red-Bull-Modell im Dilemma

Heißt: RB Leipzig müsste in anderen Einnahmebereichen wachsen. Doch dieses Wachstum durch neue Sponsoren, Merchandisingerlöse etc. ist derzeit nicht in den benötigten Größenordnungen absehbar. Also müssen in jedem Sommer ein bis zwei Transfers in hohen zweistelligen Millionenbeträgen gemacht werden. Auch in diesem Sommer wird wohl mindestens einer aus dem Trio der begehrten Jungstars Castello Lukeba, Benjamin Sesko und Xavi Simons den Klub verlassen.

Die stetige Teilnahme an der Champions League wird dadurch zum Muss, um mit den zusätzlichen Einnahmen in Höhe von etwa 60 Millionen kalkulieren zu können. Konzernboss Mintzlaff träumt sogar von der Meisterschaft. Doch angesichts der Fluktuation von Topspielern wird das wohl ein Traum bleiben.

Sportchef Marcel Schäfer hat im Interview mit RBlive, angesprochen auf Meisterschaftsträume, klar gesagt: "Unter den aktuellen Voraussetzungen, die sehr gut sind, muss trotzdem alles passen – alles! Es müsste bei unserer Transferphilosophie jeder Transfer sitzen, wir müssten uns in einen absoluten Flow spielen und wir dürften nahezu keine Verletzten haben." Die perfekte Saison also – aktuell ist keiner der angesprochenen Punkte erfüllt.

Neue Erzählung gesucht

Das Red-Bull-Modell steckt für die nächsten Jahre also in einem Dilemma fest: Zwischen interner und externer Erwartungshaltung nach immer mehr Entwicklung, rauschhaftem Fußball und Titeln auf der einen sowie der Realität mit vielen jungen, unreifen und durch den Druck auch mal verunsicherten Spielern auf der anderen Seite.

Nach Jahren des stetigen Aufstiegs braucht es eine neue Erzählung, was der Klub in Zukunft sein, wo er hinwill und wie nachhaltiges weiteres Wachstum gelingen soll. Diese Frage betrifft auch die Bindung zwischen Klub und Zuschauern, von denen viele einfach guten Fußball sehen und Teil einer Aufstiegserzählung sein wollen. Ist das nicht gegeben, entsteht schnell Unzufriedenheit und Gleichgültigkeit auf den Rängen. Es wird gepfiffen – oder noch schlimmer – einfach nicht mehr erschienen, siehe No-Show-Rate.

Lesen Sie hier: Teil 2 der Krisenanalyse – Der Trainer

Rose mag die Vokabel „RB-Fußball” nicht

Die passende Zukunftsstrategie sollen Jürgen Klopp und sein Team von Red Bull Global Soccer für alle Standorte des Energy-Drink-Herstellers entwickeln – fußballerisch und wirtschaftlich. Doch besteht überhaupt noch die gemeinsame Überzeugung, den Red-Bull-Weg mit Toptalenten und einer einheitlichen Spielphilosophie zu gehen?

Trainer Marco Rose etwa kann nicht viel mit der Schablone "RB-Fußball" anfangen. Er verwendet die Chiffre intern auch nicht und legt Wert auf seine eigene Handschrift. Auch Nationalspieler David Raum fragte neulich nach einem Spiel, was das sei, die sog. RB-DNA, man pflege einen eigenen Ansatz.

Matthäus sieht Red Bull vor "Trümmerhaufen"

So sieht das momentan auch aus – bzw. von der virtuosen Ballräuberei früherer Spielzeiten inklusive Überfallfußball gepaart mit Ballbesitz und Zermürbungsstrategien ist momentan nichts zu tun. Überhaupt war vom RB-Fußball selten so wenig zu sehen wie gerade eben. "Trümmerhaufen" nannte voriges Wochenende Fußballlegende Lothar Matthäus die Folgen des scheinbaren Verlustes von Identität und Leitmotiv auf dem Platz. Später korrigierte der ehemalige Salzburger Co-Trainer unter Giovanni Trapattoni sein Vokabular und ersetzte Trümmerhaufen durch "Baustellen".

Was Matthäus stehen ließ, war seine Prognose, dass es Jahre dauern werde, bis wieder so etwas wie ein RB-Fußball sichtbar werde. Er deutete damit auf den Kern des Problems hin, dass die Red-Bull-Filialen aufgrund der Markenidentität des Hauptsponsors und aufgrund der fehlenden Tradition einen eigenen Wiedererkennungswert so nötig haben wie etwa der BVB seine "Echte-Liebe-Folklore". Sportgeschäftsführer Marcel Schäfer soll das bewerkstelligen, Berater Jürgen Klopp ihn mit einer der Gegenwart angepassten, einheitlichen Spielidee versorgen.

Lesen Sie hier: Teil 3 der Krisenanalyse – Die Funktionäre

Klopp & Co. wie Unternehmensberater

Der Gedanke einer oberhalb der Klubebene angesiedelten Einheit als Berater für diverse Klubs ist weltweit freilich einmalig und durchaus visionär. Abseits des Tagesgeschäfts können so Ideen entwickelt werden, um den Red-Bull-Fußball wieder zum Vorreiter zu machen. Doch ob das System auch in Krisen funktioniert, die ja kaum sein dürfen, weil ansonsten das Geschäftsmodell sofort wackelt, muss Red Bull erst noch nachweisen. Auf jeden Fall ist das neu formierte Konstrukt in der aktuellen Krise bei Rasenballsport derzeit maximal ge- und möglicherweise auch überfordert.

Klopp ist schließlich gerade noch dabei, sich einzuarbeiten und war erst einmal in Leipzig vor Ort. Gleichzeitig ist seine Stimme etwa in der Trainerfrage von immenser Bedeutung. Sie wiegt offenbar mindestens genauso schwer wie die von Sportchef Marcel Schäfer, der am Samstag ohne Rücksprache mit Mintzlaff und Klopp keine Aussage zur Zukunft von Trainer Rose treffen wollte.

Ob sich das Prinzip der Funktionärsnomaden durchsetzt, die wie Unternehmensberater bei einem der Klubs einschweben, ihre Ratschläge zu sportlichen und strategischen Fragen geben und zur nächsten Filiale weiter jetten, muss sich erst erweisen. Bislang waren die kurzen Entscheidungswege von RB, das geführt wird wie ein Wirtschaftsunternehmen, ein Trumpf. Die Gremienstruktur existierte nur auf dem Papier.

Nun hat sich Red Bull durch den Einfluss von Aufsichtsratschef Mintzlaff und Chefberater Klopp weiter verzweigte Entscheidungsebenen verordnet. Auch das wird einen Findungsprozess nach sich ziehen. RB Leipzig und der Red-Bull-Fußball werden sich selbst ein Stück weit neu erfinden müssen, um dem Gipfel näherzukommen als aktuell.