„Klarer Angriff in Meisterschaft und Champions League” Taktikexperte: Warum Klopp perfekt zu Red Bull passt
Vor dem Duell zwischen RB Leipzig und dem langjährigen Klopp-Klub FC Liverpool erklärt der Sportwissenschaftler Daniel Memmert in seiner Kolumne für RBlive, warum Red Bull keinen besseren Mann für die Aufgabe hätte finden können als Jürgen Klopp.
Leipzig/Köln – Professor Daniel Memmert ist geschäftsführender Leiter des Instituts für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule Köln. Vor dem Champions- League-Duell zwischen RB Leipzig und dem FC Liverpool (Mittwoch, 21 Uhr) hat der Experte für Spielanalyse in seiner Kolumne „Memmerts Taktik-Sprechstunde” die Verpflichtung von Jürgen Klopp unter die Lupe genommen.
Von Prof. Daniel Memmert
Als ich von der Verpflichtung von Jürgen Klopp als neuen Fußballchef von Red Bull erfuhr, kam mir ein Spiel aus dem Jahr 2008 in Mannheim den Sinn. Es war zu Beginn der Saison 2008/09, als die TSG Hoffenheim mit 4:1 gegen Borussia Dortmund gewann. Ralf Rangnick war damals gerade mit Hoffenheim in die Bundesliga aufgestiegen und seine Mannschaft überrannte die etablierten Klubs; Jürgen Klopp war noch ganz neu als Trainer bei Borussia Dortmund. Viele Fußballlehrer hätten die überraschend deutliche Niederlage mit Floskeln abgetan: Tagesform, individuelle Fehler oder Spielverlauf. Nicht so Jürgen Klopp.
Er hat damals eine halbe Stunde nach Spielschluss ohne Wenn und Aber eingeräumt, dass die Mannschaft mit der überzeugenderen Spielphilosophie gewonnen hat. Klopp nannte explizit nicht gruppentaktische Systeme oder Grundordnungen als Ursache, sondern ihn beeindruckte ausdrücklich die Spielphilosophie des Rangnick-Teams.
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Keiner wäre besser geeignet als Klopp
Aus meiner Sicht war dieses Spiel am 21. September 2008 eine Initialzündung in der Arbeit von Klopp, ein starker Impuls, Fußball noch radikaler anders zu denken und seine aus Mainz mitgebrachte Idee zu verfeinern. Denn der damals 41-jährige Trainer hat daraufhin Teile dieser Philosophie übernommen, die Rangnick später bei Red Bull sozusagen als Grundgesetz eines ganzen Fußballimperiums etablierte. Klopp hat auf einer Metaebene verstanden, dass diese Spielphilosophie überlegen war. Er hat die Spielweise seiner Mannschaft dahingehend verändert und diese Idee in den nächsten Jahren selbst weiterentwickelt und perfektioniert.
Letztlich hat Klopp diese Idee sowohl in Dortmund in seinen besten Zeiten, als er zweimal Deutscher Meister wurde, als auch in Liverpool zu Erfolgen getragen. Also steckt in Klopps Fußballidee extrem viel Red-Bull-Fußball. Hinsichtlich der Spielphilosophie ist die künftige Zusammenarbeit komplett naheliegend. Als Ausbilder und Ansprechpartner für die Trainer der Red-Bull-Vereine ist er der perfekte Mann. Ich wüsste keinen, der für den Job besser geeignet wäre als Jürgen Klopp. Rein inhaltlich ist das genial.
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Klopp betritt das Red-Bull-Haus nicht als Fremder
Bereits bevor er seine neue Aufgabe beginnt, hat Klopp bereits einen richtig wichtigen Impuls für den Red-Bull-Kosmos gegeben, indem sein langjähriger Co-Trainer Pepijn Lijnders nun in Salzburg als Cheftrainer arbeitet. Denn bekanntlich ist Salzburg extrem wichtig für das gesamte Klubkonstrukt. Übrigens hat sich Klopp über die Jahre regelmäßig an Spielern bedient, die diese Schule durchlaufen haben: Sadio Mané, Naby Keita, Ibrahima Konaté und zuletzt Dominik Szoboszlai sind die prominentesten Beispiele.
Zudem ist er mit den Cheftrainern in Leipzig und New York, Marco Rose und Sandro Schwarz, die beide seine früheren (Mit-)Spieler waren, intensiv verbunden. Er war damals deren Mentor in Mainz und wird es nun auf anderer Ebene wieder. Klopps Familie ist im Grunde bereits installiert. Klopp ist alles andere als ein Fremder, der die Wohnungstür von Red Bull betritt, sondern einer, der sehr viel familiäre Nähe spürt.
Klarer Angriff auf die Deutsche Meisterschaft
Die Personalie Klopp ist aus meiner Sicht immens entscheidend für den weiteren Weg der Red-Bull-Vereine mit RB Leipzig an der Spitze. Diese Verpflichtung heißt übersetzt: Jetzt wollen wirs aber mal richtig wissen! Bei Bayern München, in Leverkusen, bei Borussia Dortmund ohnehin wird man sehr genau hinschauen, was da heranwächst. Die Spielphilosophie dürfte noch einmal einen Push bekommen, für Spielertransfers dürfte Klopp immens wichtig sein.
Das ist ein klarer Angriff auf die Deutsche Meisterschaft und in der Champions League. Und das gibt auch den Standorten in New York und Brasilien neuen Push. Denn Klopp ist nicht nur inhaltlich brillant, sondern dazu bekanntlich auch noch der totale Sympathieträger, der allein aufgrund seiner Art, Menschen mitzunehmen, für neuen Schwung sorgen wird. Das habe ich auch persönlich gespürt, als ich ihn 2012 einlud, bei uns an der Deutschen Sporthochschule Köln einen Vortrag zu halten, der mehr als 800 Studierende begeisterte. Der Menschenfänger Klopp wird auch das Red-Bull-Konstrukt, das in Deutschland sehr kritisch gesehen wird, auf eine neue Ebene heben – auch was die Sympathiewerte angeht.
Parallelen zwischen Liverpool und Leipzig
Für das Spiel von RB Leipzig gegen den FC Liverpool in der Champions League erwarte ich eine sehr ausgeglichene Partie – ein fifty-fifty-Spiel. Unter dem neuen Trainer Arne Slot hat Tabellenführer Liverpool den Klopp-Fußball übernommen, aber seine Defensive weiter stabilisiert und erst drei Gegentore in acht Spielen hinnehmen müssen – eine ähnliche Bilanz wie bei RB Leipzig. Ein erster Champions-League-Sieg gegen Liverpool wäre ein Ausrufezeichen für Leipzig und könnte weitere Energien freisetzen. Jürgen Klopp dürfte aus dem Urlaub genau hinschauen.
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Memmert postet auch auf seinem YouTube-Kanal spannende Inhalte zum Thema Spielanalyse. Via LinkedIn können Sie direkt mit ihm in Kontakt treten.